piwik no script img

Schon wieder Freunde

Spionage Der BND hat offenbar auch den französischen Außenminister und einen deutschen Diplomaten ausgespäht

Die Bundesregierung betonte, sie habe die Aktivitäten nicht in Auftrag gegeben

von Tobias Schulze

BERLIN taz | Am Freitag fliegt Frank-Walter Steinmeier nach Paris. Der Termin ist lange geplant; der Außenminister wird Orden an die Helfer des Germanwings-Absturzes verteilen und mit seinem französischen Amtskollegen über den Syrien-Krieg sprechen. Mit Laurent Fabius will er sich am Abend auch das Fußball-Länderspiel Frankreich gegen Deutschland ansehen. „Es wird so sein wie immer. Sie werden sich sehr freundschaftlich begrüßen“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.

In Wahrheit ist die Reise des Außenministers natürlich kein Besuch wie jeder andere. Schließlich haben die französischen Nachrichtenagenturen die neuesten Berichte über den Bundesnachrichtendienst (BND) am Mittwoch rasch aufgegriffen. Neben vielen anderen Spionagezielen hatte der deutsche Geheimdienst demnach bis ins Jahr 2013 auch den Franzosen Fabius ausgespäht.

Mit der Enthüllung geht der Spionage-Skandal um den BND in die nächste Runde. „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht“, hatte Kanzlerin Angela Merkel vor zwei Jahren noch gesagt. Da war gerade bekannt geworden, dass der amerikanische Geheimdienst ihr Handy im Visier hatte. Inzwischen ist jedoch klar, dass auch deutsche Geheimdienstler nicht immer zwischen Freund und Feind unterscheiden.

Schon im vergangenen Jahr enthüllten Medien, dass die NSA den BND benutzt hatte, um die Kommunikation von Mitarbeitern des französischen Außenministeriums, der EU-Kommission und des Airbus-Konzerns zu überwachen. Vor drei Wochen gestand das Kanzleramt dem Bundestag dann, dass der deutsche Geheimdienst auch selbstständig Partner in befreundeten Staaten abgehört hatte. Das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium beauftragte daraufhin drei seiner Mitglieder damit, die Sache aufzuklären.

Bevor die drei Abgeordneten dem geheim tagenden Gremium am Mittwochabend ihr Zwischenergebnis präsentierten, hatten Medien bereits einzelne BND-Opfer genannt. Laut Spiegel handelt es sich bei den Ausgespähten um Hilfsorganisationen wie Oxfam, ausländische Botschaften in Deutschland und Innenministerien befreundeter Staaten. Laut RBB stehen auf der Liste neben dem französischen Außenminister auch Unicef, der Internationale Strafgerichtshof und sogar ein deutscher Diplomat.

Hansjörg Haber war unter anderem deutscher Botschafter in Beirut und Kairo und arbeitet mittlerweile für den Auswärtigen Dienst der EU. Sollte der BND ihn tatsächlich abgehört haben, hätte der Geheimdienst wohl gegen Gesetze verstoßen. Deutsche Staatsbürger darf er in der Regel nur dann ausspionieren, wenn die sogenannte G10-Kommission des Bundestags eine Ausnahme genehmigt.

„Es ist nicht Aufgabe des BND, deutsche Diplomaten auszuspionieren“, sagte am Mittwoch ­André Hahn (Linkspartei), der das Parlamentarische Kontrollgremium leitet. Seine Fraktion will noch in dieser Woche einen Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, der vorsieht, die Kontrolle der Geheimdienste zu verbessern.

Die Bundesregierung betonte währenddessen, sie habe die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes nicht in Auftrag gegeben. „Im Auftragsprofil des BND ist die politische Ausspähung von Partnerstaaten nicht vorgesehen“, sagte eine Regierungssprecherin. Das Kanzleramt versuche derzeit, die Angelegenheit aufzuklären. Des Weiteren gehe es nach wie vor überhaupt nicht, Freunde auszuspähen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen