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Bestellt und nicht abgeholt

WOHNPROJEKT Die Innere Mission in Bremen soll fünf mobile Mini-Häuser als Unterkunft für Wohnungslose bestellt haben. Wissen will sie davon nichts

Im Frühjahr hatte die Bremer Künstlerin Alexandra Bremer mit ihren mobilen Mini-Häusern noch für Aufsehen gesorgt: keine drei Quadratmeter groß, aus Alu und auf Rädern, sollten sie Obdachlosen ein Dach bieten. Der NDR, Sat.1 und die Bild-Zeitung berichteten.

Inzwischen sieht sich die 47-Jährige hintergangen. Auftraggeber für die Häuschen sei der Verein Innere Mission, sagt Bremer. Dieser habe fünf Exemplare bestellt. 2.000 Euro habe sie für jedes Häuschen berechnet, beglichen habe die Innere Mission bislang jedoch nur die Rechnung für das erste. Das Geld für Unterkunft zwei, drei, vier und fünf fehlten.

Bezogen wurde das unbezahlte Häuschen mit der Nummer zwei dennoch – von Harald B,. den der Verein ihr als Wohnungslosen vorgestellt habe. Er lebe seit 25 Jahren auf der Straße und habe seine Familie bei einem tragischen Unglück verloren. Außerdem sei der 63-Jährige mit Vollbart und Langhaarfrisur schwer krebskrank.

Mit Streetworker Jonas Pot d’or, einem Mitarbeiter der Inneren Mission, sei der Wohnungslose mehrmals bei ihr gewesen, berichtet Bremer. Die Einrichtung seines gelben Häuschens „Strandkorb Wolke 7“ habe er sich selbst zusammengestellt. „Er wünschte sich Bücherregale, eine Solar-Lampe und viele Fenster“, sagt die Künstlerin.

Inzwischen hat Bremer Zweifel an der Lebensgeschichte von Harald B. bekommen: Noch 2010 hatte der einen festen Job beim „Allmende-Netzwerk“, dem sozialen Möbellager der Projob Bremen gGmbH – einer 100-prozentigen Tochter der Inneren Mission. Und dann soll er seit 25 Jahren auf der Straße gelebt haben?

In der vergangenen Woche sei sie zuletzt am Häuschen vorbeigefahren, sagt Bremer. Es stehe im Stadtzentrum am Jakobushaus, das die Innere Mission als Unterkunft für Wohnungslose nutzt. Bei der Polizei hat sie eine Anzeige wegen Diebstahls erstattet. Die Staatsanwaltschaft befasst sich mit dem Fall.

Die Innere Mission bestreitet, dass es jemals ein Geschäft mit der Künstlerin gab. „Fakt ist: Wir haben nie einen Auftrag erteilt“, sagt Bertold Reetz, Leiter der Wohnungslosenhilfe des Vereins. Bremer habe die Häuschen eigenmächtig gebaut. Die 2.000 Euro seien lediglich „eine Unterstützung für die Materialkosten“ gewesen.

Dass sein Mitarbeiter Pot d’or vier Löschdecken für die vier weiteren Unterkünfte gekauft haben soll, führt Reetz auf dessen Gutmütigkeit zurück: „Er war so nett und hat die besorgt.“ In passender Stückzahl.

Inzwischen hat Bremer ihre Mini-Häuser auch anderen sozialen Hilfswerken und dem Bremer Sozialressort angeboten. „Besonders jetzt in der kalten Jahreszeit sollte es doch allen ein Anliegen sein, die Menschen von der Straße zu holen“, sagt sie. Interesse zeigte jedoch niemand. Laurin Meyer

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