: "Sie wollen nichts mehr von uns wissen"
Spanien Afghanen, die für die spanische Armee dolmetschten, haben jetzt Asyl. Es geht ihnen schlecht
Aus Madrid Reiner Wandler
„Wir stecken fest“, sagt Momin Azizi mit freundlichem und zugleich traurigem Blick. Der 30-jährige Übersetzer stand für mehr als zwei Jahre im Dienste der spanischen Truppen im afghanischen Badghis. Als Madrid die Truppen nach und nach abzog, fielen die Jobs für Übersetzer weg. „Wir wurden einfach entlassen und nach Hause geschickt. Die Taliban bedrohten uns und unsere Familien“, berichtet Azizi. Mit seiner Frau Sarah und seinen drei Kindern bat er im September 2014 in Spanien um Asyl.
„Die Armee lieferte uns in einem kleinen Hotel am Stadtrand Madrids ab und wollte dann nichts mehr von uns wissen“, sagt Azizi. Von dort kam er in ein Flüchtlingswohnheim in Vallecas, einem Arbeiterstadtteil im Süden Madrids. „Am 1. November mussten wir raus. Das Übergangsjahr ist um. Wir haben eine kleine Wohnung gemietet, doch wie lange wir sie finanzieren können, weiß ich nicht“, erklärt Azizi. Die Familie bekommt vier Monate Hilfe von einer NGO. Danach kommt nichts mehr. Staatliche Unterstützung gibt es keine.
Insgesamt sind 37 Übersetzer, die in Herat, Kabul und Badghis gearbeitet haben, nach Spanien gekommen. Mit Angehörigen sind es 47 Personen. Ashabudin Jallali und Esmatullah Husaini sind schon seit März 2014 hier. Die beiden 27-jährigen ehemaligen Hispanistikstudenten der Universität Kabul gehörten zu den ersten sieben, die ausreisen durften.
Einfach war das nicht: „Wir hatten monatelang Druck gemacht, bei der Armee und bei der Botschaft vorgesprochen, Briefe an die Regierung in Madrid geschickt, mit der spanischen Presse gesprochen“, berichtet Jallali. „Wir konnten uns nicht mehr im Land bewegen, die Straßen sind unsicher für Leute wie uns. Einem Kollegen wurde das Haus abgebrannt, sein Vieh getötet“, erinnert sich Husaini.
In Spanien unterschrieben Zehntausende eine Petition, die Regierung möge den Übersetzern Schutz gewähren. All das zeigte schließlich Wirkung. Die Betroffenen durften einen Asylantrag stellen und wurden dann nach Spanien gebracht.
Jallali und Husaini sind schon seit Frühjahr nicht mehr im Flüchtlingswohnheim. Auch sie haben keinerlei Unterstützung. Jallali teilt mit Bekannten eine Wohnung in einem Vorort. Zwar ist er, wie die meisten seiner Kollegen, beim Außenministerium als Übersetzer für Dari und Paschtu eingetragen, aber angerufen wurde noch nie einer aus der Gruppe. Jallali bedient deshalb in einer Kebabbude, wo er 450 Euro im Monat verdient. Das ist weit weniger als der gesetzliche Mindestlohn von 648,60 Euro.
„Unter der Woche arbeite ich dafür 12 Stunden täglich, am Wochenende bis zu 18 Stunden“, berichtet er. Dienstags, wenn er frei hat, trifft er sich mit anderen aus der Übersetzergruppe, so wie heute mit Husaini auf der Plaza España mit dem Denkmal für den Autor Miguel Cervantes und seine Helden Don Quijote und Sancho Panza.
Husaini hat derzeit überhaupt keine Arbeit, schläft bei Freunden und lebt von dem, was er in der Obsternte in Katalonien verdient hat. „Für diesen Job musste ich einem Vermittler einen Teil meines Lohnes abgeben“, berichtet er. 400 Euro bleiben ihm noch an Erspartem. Was danach kommt, weiß er nicht. „Richtige Arbeit gibt es keine. Sobald die hören dass wir aus Afghanistan sind, ist das Gespräch vorbei“, erzählt Husaini.
Was die Übersetzer am meisten schmerzt: „Die Soldaten und Vorgesetzten, mit denen wir zusammengearbeitet haben, ignorieren uns einfach“, berichten sowohl Jallali und Husaini als auch Azizi.
Azizi hatte einen „echten Freund unter den Soldaten“. Das glaubte er zumindest. „Als er abgezogen wurde, habe ich beim Abschied geweint. Wir haben Telefonnummern ausgetauscht. „Er hat mich mehrere Male von Spanien aus angerufen. Doch als ich hier ankam, hat er mich nicht einmal auf einen Kaffee besucht“, sagt Azizi und senkt den Blick.
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