: Hanf zum Salat statt zum Rauchen
Alte Nutzpflanze Die Wesermühle bei Achim macht Speiseöl aus Hanf. Es schmeckt nussig und gilt als wahnsinnig gesund. Der Anbau ist einfach, an die Ernte der faserigen Pflanze traut sich aber nicht jeder heran
von Jens Fischer
Niedersachsen ist doch schön: Wer erinnert sich nicht an sommerliche Zugfahrten querfeldein? Am Großraumwagenfenster vorbei fliegen: ein großes Rapsfeld, ein noch größeres Rapsfeld, eine Wiese mit Kühen, eine Wiese ohne Kühe, eine Lärmschutzwand, ein Maisfeld, ein großes Maisfeld, eine Lärmschutzwand, ein gigantisches Maisfeld – Monokulturen bis zum Abwinken.
Einst weit verbreitet, dann bis 1996 verboten
„Wir träumen davon, das zu ändern“, sagt Anna Hubach, die Betreiberin der Ölmanufaktur „Wesermühle“ bei Achim. „Die Artenvielfalt muss zurück in die Landschaft, indem heimische Pflanzen wieder heimisch gemacht werden“, findet Hubach. Beispielsweise Hanf.
Der Anbau der einst verbreiteten Nutzpflanze war bis 1996 in jeder Form verboten. Sie diente zur Fasergewinnung für die Kleidungs-, Papier- und Baumaterialproduktion. Die Ölfrüchte wurden pur genascht oder weiterverarbeitet zu Mehl, Butter und Öl.
Diese Tradition nehmen Hubach und ihr Lebenspartner Andreas Meyer wieder auf – mit der Herstellung original niedersächsischen Hanföls. Denn dort gediehen schon in der Vergangenheit die Samen der Cannabis Sativa, dort wurden sie von Gerätschaften ausgepresst, die nicht viel größer sind als haushaltsübliche Küchenmaschinen.
Hubach und Meyers fünf Ölmaschinen rotieren geradezu meditativ auf einer Insel der Seligen: in Hagen-Grinden. Das Eiland zwischen Weser und Schleusenkanal ist mit 24 Häusern garniert. Mittendrin der öko-arkadisch beleumundete Hof Wesermühle. Obwohl diese ihrem Namen kaum Ehre macht: Die Kraft der Weser wird nicht als Antrieb genutzt. Immerhin schlängelt sich der Strom nahebei durchs Marschidyll.
Wie entstand die Idee zur Ölfruchtverarbeitung? „Ich bin studierte Landwirtin“, erzählt Hubach, „habe für den Lebensunterhalt auch schon Brot gebacken, Schafe geschoren, Kühe gemolken, Wurst gemacht, Käse hergestellt und zuletzt in der Thedinghauser Kommune Finkenburg Äpfel gemostet.“ Deshalb sei für sie klar gewesen: „Ich wollte was mit Lebensmitteln, am besten mit flüssigen Lebensmitteln machen.“ So kam sie aufs Öl.
15 Sorten, von Mandel-Orange über Mohn bis Schwarzkümmel stellt sie inzwischen her. Ganz wichtig: „Ich habe keinen Bock auf Pseudo-Bio-Ware aus China, Indien oder Kanada. Bio muss regional sein.“ Aber der regionale Markt des Landkreises Verden bot anfangs keine Biohanf-Qualität zur Weiterverarbeitung.
Keiner will den Mähdrescher-Killer ernten
Erst nach jahrelanger Überzeugungsarbeit fanden Hubach und Meyer einen Bauern in Kirchlinteln, der Hanf für sie aussäte – aber nie erntete. Kein Dienstleister war bereit, die zähfaserige, als Mähdrescherkiller bekannte Pflanze vom Feld zu holen. Erst 2013 konnte ein mutiger Drescherfahrer engagiert werden, der nun mit einem Bioland-Bauern in Dörverden-Westen zusammenarbeitet. „Er bestellt vier Hektar, darauf lassen sich 2,5 Tonnen Hanf ernten, woraus wir 500 Liter Öl gewinnen, das zu 39 Euro den Liter verkauft wird“, sagt Hubach.
Die Nachfrage steige stetig. Nachdem Feinschmecker- und Gesundheitsapostel zuletzt Raps- und Leinöl als die besten Flüssigfette abgefeiert haben, soll nun der Hanf das neue Modeöl liefern.
„Wir könnten jährlich 1.000 Liter absetzen“, schwärmt Hubach, „deswegen kaufen wir Hanf aus Österreich zu und wollen weitere niedersächsische Bauern ins Boot holen.“ Inzwischen könnten sie auch einen Preis zahlen, der höher liege als für alle anderen Feldfrüchte. Hanfanbau lohne also. Für Landwirte sei er zudem pflegleicht, schädlingsresistent und unterdrücke auf natürlichem Wege den Unkrautwuchs.
Für die Ölung gleich nach dem Duschen
Die Wesermühle bietet „natives“ Öl an: Die Samen werden kalt gepresst. „Die durch Drehung und Druck erzeugte Wärme darf dabei nicht 40 Grad übersteigen“, erläutert Hubach. Sie entfernt anschließend den Bodensatz, filtert die Schwebstoffe aber nicht ab. So bleibt das Öl saftig grün und inhaltsreicher. Die Pflanzenreste, Presskuchen genannt, werden als Tierfutter verkauft.
Die Öle sind zu erwerben im Hoflädchen, in Bio-Läden in Norddeutschland sowie online. „Das boomt, mein Mann muss jeden Tag vier verlorene Stunden lang Pakete für Kunden packen“, berichtet Hubach. Sie selbst bietet die Waren auf Märkten in Bremen, Nienburg, Achim und Verden feil, sie besucht auch Gourmet- und Slow-Food-Messen sowie die vegane Hipster-Szene bei Event-Märkten in Hamburg.
„Größer als das Feinschmecker- ist das Gesundheitsklientel“, weiß Hubach. Es gibt Menschen, die kippen sich das edle Öl gleich nach dem Duschen über den Körper. „Es hat eine ähnliche Fettzusammensetzung wie die Haut und ist daher gut geeignet zur Feuchtigkeitsversorgung“, erklärt die Fachfrau.
Und der Geschmack? Cremig-nussige Eleganz mit lieblicher Pinienkernnote und sanft-bitterem Abgang, lautet das Ergebnis einer ersten Verkostung. Für Fans mehrfach ungesättigter Fettsäuren sei erwähnt, dass Hanföl davon geradezu protzig viele enthält: die Omega-3- und Omega-6-Variante im Verhältnis eins zu drei, sowie als einziges einheimisches Pflanzenöl die Gamma-Linolsäure. Schönheitsmagazine haben das Öl schon zum „Superfood“ erklärt. Hubach rät zum Genuss zweier Teelöffel pro Tag.
Anna hubach, wesermühle
Taugt es auch zum Einsatz am Herd? „Gesundheit und Braten widerspricht sich leider“, sagt Hubach. Hanföl sollte nicht erhitzt, eher für Salate und Süßspeisen genutzt werden. „Ich esse es am liebsten zu Tomaten mit Mozzarella oder auf Pellkartoffeln.“
Hanföl hat nichts mit Haschischöl gemein
„Und wird man davon high?“ Das sei die am häufigsten gestellte Frage, erzählt Hubach. Wird man? „Natürlich nicht.“ Die Bundesanstalt für Landwirtschaft genehmigt nur den Anbau von Hanfsorten, denen das berauschende THC weggezüchtet wurde. Für Drogenerlebnisse muss Haschischöl genutzt werden, das nichts mit Hanföl gemein hat. Das Harzgel für Haschisch wird mit Lösungsmitteln aus THC-reichen Hanfsorten extrahiert.
Lohnt nicht als Sonderedition ein Ölmix beider Sorten? „Das ist verboten“, gibt sich Hubach humorlos, „schon jetzt werden wir Hanfverarbeiter sehr streng kontrolliert.“ Also: Wer regionales Hanföl kauft, unterstützt die Artenvielfalt Niedersachsens und wer Haschischöl auf seine brennende Fluppe tröpfelt – entdeckt die Schönheit Niedersachsens!
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