piwik no script img

Stilles Örtchen für alle

Gender Für Transgender sind öffentliche Toiletten der pure Horror. LGBTI-Hochschulgruppen rufen dazu auf, bundesweit die Uniklos neu zu beschriften

Wenn eine Transfrau auf eine Frauentoilette geht, hört sie nicht selten: „Du gehörst hier nicht hin“ Foto: dpa

von Peter Weissenburger

Anfang des Jahres hatten Studierende der Frankfurter Goe­the-Uni eine verrückte Idee: Man könnte doch einfach mal die alte Einteilung in Männer- und Frauenklos überwinden und nur noch Unisex bauen. Kultanwältin Ally McBeal hatte schließlich schon in den Neunzigern eine! Die konservative Studierendenschaft war entsetzt, der Entwurf wurde nicht umgesetzt. Jetzt wollen LGBTI-Studierende erneut gegen die letzte Festung der Geschlechterdifferenz angehen. In einer bundesweiten Aktion vom 26. bis 27. Oktober sollen alle Studis ihre Uniklos neu beschriften: „all genders welcome“. Dazu hat die Bundeskonferenz der queeren Hochschulgruppen aufgerufen. Das soll Inter- und Transmenschen den Toilettengang erleichtern – und allen anderen Nachhilfe in Gendervielfalt geben.

In Berlin unterzeichneten die Queerreferate von TU, HU und FU den Aufruf. Die Aktion ist dezentral, die Toilettenschilder gibt’s zum freien Download – Zugriff auf Toilettentüren haben ja die meisten.

Das Klo ist das letzte bisschen Privatsphäre in der ständigen Öffentlichkeit, in der wir uns bewegen. Auf dem Klo hat man Zeit für sich und muss sich für nichts rechtfertigen. Es sei denn, man ist Transgender. Dann fängt der Stress auf der Toilette erst richtig an. Man könnte den Eindruck bekommen, Transgender-Sein sei inzwischen akzeptiert. Gab es nicht die öffentliche Wandlung von Bruce zu Caitlyn Jenner und diese Fernsehserie, „Transparent“? Hat nicht die ARD dieses Jahr einen rührenden Film über eine Trans­teenagerin gesendet? Aber nur weil Minderheiten im Fernsehen auftreten, heißt das nicht, dass es einfacher geworden ist in der überwiegend mittels binärer Geschlechterlogik organisierten Gesellschaft. Und das fängt bei Toiletten an.

Kai* Brust, Referent_in für Queerfeminismus an der Evangelischen Hochschule Darm­stadt hat die Aktion mit ins Leben gerufen. Transmenschen würden auf zweigeteilten Toiletten diskriminiert, sagt Brust. „Wenn zum Beispiel eine Transfrau auf eine Frauentoilette geht, hört sie nicht selten: ‚Du gehörst hier nicht hin.‘ “ Studierende mit Transidentität überlegten deshalb zweimal, bevor sie auf Klos gingen – oder tränken sogar oft weniger, um die Stresssituation ganz zu vermeiden.

„Unser Ziel ist ganz einfach, nämlich, dass sich alle auf der Toilette willkommen fühlen.“ Auch den Rest von uns, die wir reflexartig eine Tür wählen, wollen die Organisator*innen ansprechen. Denn gerade wir denken kaum darüber nach, dass Menschen und ihr Harndrang komplexer sind als die Buchstaben D und H.

Obwohl getrennte Männer- und Frauenbereiche fast verschwunden sind, gilt es weiterhin als normal, am intimsten Ort der Welt in Männlein und Weiblein zu teilen. So normal, dass wir gar nicht damit umgehen können, jemand des – vermeintlich – anderen Geschlechts auf dem Klo anzutreffen. Wer in der nächsten Woche ein „All Genders“-Schild an einer Toilette aufhängt, wird daher erst mal für Verwirrung sorgen. Leute werden rumdrucksen, von einem Bein aufs andere treten, sich umschauen, ob nicht doch irgendwo das rettende Symbol hängt. Dann dem Drang nachgeben und halt irgendwo reingehen. Schließlich fängt das Seminar gleich an, und der Cappu muss noch raus. Geschäft erledigt, und dann?

Mitmachen!

26. bis 30. Oktober"All gender welcome toiletten": Bundesweite Aktionswoche. Infos und Türschilder zum Download unter: ag-trans-hopo.org/all-gender-welcome-toiletten

„Wir wollen erreichen, dass sich möglichst viele mit den Problem beschäftigen“, sagt Brust. „Das ist anstrengend, und wen es nicht direkt betrifft, der wird auch nicht darüber nachdenken. Das wollen wir ändern.“ Brust hofft auf neue Ideen, wie man eine Klokabine für alle entwerfen kann – idealerweise einzeln, geschlechtsneutral und barrierefrei.

Die Aktion probt den Protest im Kleinen, eine Steter-Tropfen-Taktik, mit dem Ziel, die Welt an Tatsachen zu gewöhnen, die überfordern: Nicht alle Menschen sind Männer und Frauen. Belästigung ist nicht immer heterosexuell. Und Frauentoiletten sind kein gewaltfreier Raum. Wie wir Toiletten bauen ist ein Anhaltspunkt für den Zustand unserer Gesellschaft: Wir haben das Problem sexueller Gewalt, das wir irgendwie nicht gelöst bekommen. Daher ziehen wir Wände hoch zwischen den stereotypen Tätern und Opfern. Diese Wände sind geflieste und leicht abwaschbare Eingeständnisse für unser Scheitern daran, ein sicheres Umfeld zum Wasserlassen zu schaffen.

Ein einzelnes ausgetauschtes Toilettenschild wird nicht dafür sorgen, dass dieses Problem sich löst. Aber es kann dazu beitragen, dass der Klobesuch für viele Studierende und Dozent_innen nächste Woche ein paar wichtige politische Fragen aufwirft. Und es macht ja auch ein bisschen Spaß, den Profs dabei zuzusehen, wie sie an den Klotüren verzweifeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen