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Flow und Farbe

JUBILÄUM „Goldrausch“ hat sich in Berlin einen Namen für die Weiterbildung von Künstlerinnen gemacht – nun feiert die Institution, die viel Qualität hervorgebracht hat, 25-jähriges Bestehen

Die Berliner Künstlerin Ezgi Kılıçaslan beschäftigt sich in einer Installation mit der Fasanenjagd Foto: Abb.: Goldrausch/Ezgi Kılıçaslan

von Katrin Bettina Müller

Wieso können Anstrengungen glücklich machen? Soziologen und Psychologen haben das erforscht und sind auf den „Flow-Effekt“ gestoßen, ein selbstvergessenes Aufgehen in der Tätigkeit. Linda Kuhn hat solche Texte über den Flow kopiert und Puzzlespiele damit bedruckt, die jetzt als Teil der Ausstellung „25 Karat Goldrausch 2015“ auf drei kleinen Tischen im Studio I des Bethaniens stehen. Das Puzzeln, diese Geduldsarbeit, bei der am Ende ein vorgefertigtes Bild entsteht, ist eigentlich ein Gegenentwurf zu der Kunst und ihrem Anspruch von Kreativität und Individualität. Möglicherweise kratzt Linda Kuhn mit einer kleinen ironischen Note an diesem noblen Anspruch; auf jeden Fall setzt sie Theorie und Praxis der Motivation, etwas zu tun, in eine überraschende Beziehung.

Warum besucht man eine Ausstellung von Goldrausch, einem Weiterbildungsprojekt für jeweils 15 Künstlerinnen? Aus Solidarität und weil man weiß, dass auch 2015 der Weg von Künstlerinnen in die Sichtbarkeit von Institutionen und dem Kunstmarkt noch immer beschwerlicher ist als der von ihren männlichen Kollegen? Ja und nein. Das würde als Motivation wahrscheinlich nicht reichen, könnte man nicht zugleich die Begegnung mit anregenden Arbeiten erwarten. Dass alle 15 Künstlerinnen zusammen Kurse über Internetauftritte, Organisation als Unternehmerin, über Kataloggestaltung und Stärkung in der Präsentation durchlaufen haben, ist keine Garantie für künstlerische Qualität. In den vielen Ausstellungen, die Goldrausch in den 25 Jahren seit Gründung 1990 gezeigt hat, war davon aber oft viel vorhanden.

Das liegt sicher auch daran, dass die Teilnehmerinnen ausgewählt wurden aus zuletzt oft über 200 Bewerberinnen. Die Zusammensetzung ist jedes Mal sehr heterogen, was die Medien und Konzepte angeht. Das trägt dazu bei, dass sich die Ausstellungen dramaturgisch abwechslungsreich gestalten ließen, wie auch diesmal wieder.

Einen ungewohnten Weg zur Verbindung von Malerei, Skulptur und Fotografie geht Eva Maria Salvador. Ihre großformatigen Fotografien lassen etwas wie Porträtbüsten erahnen, die aus einem schwarzen Grund treten. Es sind fotografierte Gebilde aus dicken Farbhäuten, Netzen und plastischen Materialien, geformt von druckvollen, heftigen Eingriffen ins Material. Eva Maria Salvador kommt dabei zu einem Expressionismus, der gleich unter der Haut ansetzt, bei verborgenen Anatomien und Gefühlen. Die Farbe, an die Malerei immer gebunden ist, nimmt bei ihr selbst die Gestalt eines geschundenen Körpers an.

Die Ausstellung ist dramaturgisch ­abwechslungsreich gestaltet

Ganz anders geht Anne Kollwitz in ihren Monotypien, die als Paravents den Raum teilen, mit Farbe und mit Gegenständlichkeit um. Alltägliche Dinge werden dabei sowohl in den Druckmaterialien als auch in den zeichnerischen Konturen angesprochen – aber Kollwitz stellt ein entspanntes Verhältnis zur umgebenden Welt dar. In den Monotypien vergrößert und variiert sie Details und lässt diese selbst zu Umgebung werden, ein Überschreiben des Alltags mit seinen erinnerten Erscheinungen. In ihren Bildern kann man sich zu Hause fühlen.

Gar nicht zu Hause fühlen sich dagegen die Protagonisten, die Dagmar Weiß in vier kurzen Filmen auf vier Monitoren agieren lässt. Eine Frau zieht einsame Runde auf dem Parkett einer Altbauwohnung, ein Mädchen steht unschlüssig neben einem Klavier, zwei Männer, die nicht miteinander reden und sich nicht ansehen, nähern ihre Hände einander und verfehlen sich doch. In jeder Szene läuft Energie ins Leere, findet etwas nicht statt; zwischen diesen Inseln der Einsamkeit gibt es aber doch Verbindungskanäle, sie hören die Geräusche aus den anderen Videofenstern. Die Video-Installation „Quartett“ hat mit 9 Minuten auch eine besucherfreundliche Länge.

Mitten in der diesjährigen Ausstellung ist ein Archiv aufgebaut für die Kataloge, die bei Goldrausch in 25 Jahren von fast allen Künstlerinnen gestaltet wurden, für manche ihr erster Katalog. Viele davon habe ich zu Hause, Hefte von beinahe 370 Künstlerinnen. Ich lese die Namen der Liste und zähle, an wie viele der Künstlerinnen ich mich erinnere, von welchen ich später noch mal Ausstellungen gesehen oder besprochen habe – ich komme auf fast siebzig Künstlerinnen. 25 Jahre Goldrausch, nicht zuletzt auch eine gute KritikerInnenweiterbildung.

„25 Karat Goldrausch 2015“, Kunstquartier Bethanien, Mariannenplatz 2,. tägl. 12–19 Uhr, bis 25. Oktober

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