: Im Schweinsgalopp durchs Museum
UNTER VERDACHT DFB-Chef Wolfgang Niersbach wirkt nach den Vorwürfen wegen der WM-Vergabe angeschlagen. Fragen verbittet er sich
Aus Dortmund Marcus Bark
All die schönen Bilder. Das Campo Bahia, die Mannschaft auf der Fähre über den Rio João de Tiba, das Finale im Maracanã, das Tor von Mario Götze. All diese Bilder, die über den animierten Ball des Premiumsponsors flimmern, lassen ihn kalt. Kein Lachen. Kein Grinsen. Keine Regung. Wolfgang Niersbach, der ehemalige Journalist, wendet sich an seinen Sprecher Ralf Köttker, einen ehemaligen Journalisten, und flüstert ihm etwas zu. Schnell weg von hier, weg von den Journalisten. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) müsse nach Zürich. Dort berät der Weltfußballverband Fifa, wie es weitergehen soll. Alles scheint möglich, genau wie bei Wolfgang Niersbach.
Nach einer kurzen Absprache gibt es noch einen knappen Originalton von Wolfgang Niersbach vor den Originalschuhen von Götze, mit denen der Deutschland 2014 im Maracanã zum WM-Titel geschossen hat. „Es ist die berühmte Gänsehaut“, sagt der Präsident, „nachdem ich eine halbe Stunde durch den Bereich mit der Nationalmannschaft geschlendert bin.“ Es ist eher ein Schweinsgalopp gewesen.
Nach den Berichten des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, die Vergabe der Fußball-WM 2006 sei anscheinend gekauft gewesen, prüft die Staatsanwaltschaft Frankfurt einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren. Als mögliche Tatbestände nannte Sprecherin Nadja Niesen am Montag Betrug, Untreue oder Korruption. Sie sprach von einem „Beobachtungsvorgang“.
Die Süddeutsche Zeitung und die Bild-Zeitung berichten, dass laut DFB-Insidern zwar Robert Louis-Dreyfus dem DFB Geld zur Verfügung gestellt habe, aber erst nach der WM-Vergabe.
Sylvia Schenk von Transparency International nimmt den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger in die Pflicht: „Die meisten Fragen habe ich im Moment an Dr. Zwanziger. Was hat er damals gewusst, warum hat er nichts gesagt, oder hat er wirklich nicht nachgefragt? Das wäre aber völlig unüblich für ihn.“
Medientermin im Deutschen Fußball-Museum. Vier Tage bevor der prächtige Bau gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof am Freitag mit einer Gala und am Sonntag dann für den Publikumsverkehr geöffnet wird, hastet Niersbach mit einer großen Meute von Journalisten durch die zweite Etage. An seiner Seite ist Dortmunds Oberbürgermeister. Mit stolzgeschwellter Brust sagt Ullrich Sierau: „Wir haben hier etwas zu bieten, was die Welt noch nicht gesehen hat.“ Manuel Neukirchner führt die Besuchergruppe an. Er sagt: „Das ist das Fußballmuseum 2.0, der neue Wallfahrtsort für Deutschland.“
Wolfgang Niersbach nimmt das alles regungslos zur Kenntnis. Der Präsident ist angeschlagen. Die Vorwürfe aus der Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins Der Spiegel über „Das zerstörte Sommermärchen” haben deutliche Spuren hinterlassen. Was ist mit den 6,7 Millionen Euro passiert, die der DFB 2005 an die Fifa überwiesen hat? Diese zentrale Frage nennt Niersbach „den einen offenen Punkt“. Zu diesem Punkt sind Fragen verboten. Der Präsident, so heißt es, werde sich „in seinem Eingangsstatement proaktiv dazu äußern“. Das klingt dann so: „Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört. Es hat keine schwarzen Kassen gegeben, es hat keinen Stimmenkauf gegeben.“
Am Hintereingang des Museums steht der Mercedes-Bus der Nationalmannschaft, mit dem die Fußballer im vergangenen Jahr zur Titelfeier auf die Fanmeile in Berlin gefahren sind. Daneben präsentiert der Generalsponsor des DFB seine Marke mit dem Stern. Am Haupteingang wird Adidas die Trikots der Nationalmannschaft verkaufen. Wie praktisch. Adidas und Mercedes-Benz haben in den Topf gezahlt, der als „Partner des DFB“ 9,6 von 36 Millionen Euro für das Museum beigesteuert hat. Mehr als die Hälfte kommt vom Land Nordrhein-Westfalen, ein knappes Viertel trägt der millionenschwere DFB aus dem „wirtschaftlichen Gewinn der WM 2006“.
DFB-Chef Wolfgang Niersbach
„Auf der linken Seite, da gehen wir jetzt nicht mehr rein, geht es um den Fußball in der DDR“, sagt Direktor Neukirchner. Wer Niersbach begeistern will, sollte etwas über die Nationalmannschaft aus dem Westen zeigen oder über Franz Beckenbauer. Aber selbst vor dem Ausstellungsschrank, der nur seinem engen Freund gewidmet ist, bleibt der Chef des DFB regungslos. In einer anderen Vitrine hängen Fotos aller Generalsekretäre und Präsidenten des DFB. Die Chronologie bedingt, dass Niersbachs Foto neben dem von Theo Zwanziger hängt, so ziemlich das Gegenteil von dem, was Niersbach als Freund bezeichnen würde. „Es gibt doch noch andere Motive“, entschuldigt sich der Chef des DFB, dass er an der Ahnengalerie nur kurz für Fotos posiert.
Schnell weiter geht’s, entlang an der Glaswand mit einer Zeittafel. Unter dem Jahr 1963 hängt eine Ausgabe des Spiegels mit dem Titel „Bundesliga: Bezahlter Fußball in Deutschland“. Die Meute lacht und raunt. Der Präsident geht weiter.
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