: "Freunde finden"
Autismus Ins System Uni wollte er sich nicht einfügen, erzählt der Autist Axel Brauns
52, ist Autist, arbeitet als Filmemacher und Schriftsteller. In der Vorlesung berichtet er über seine Erfahrungen.
taz: Herr Brauns, warum haben Sie Ihr Studium abgebrochen?
Axel Brauns: Weil ich gemerkt habe, dass etwas wie Axel Brauns sich nicht an der Universität ereignen darf. Ich wollte lieber Schriftsteller werden.
Was waren Ihre Probleme auf dem Weg zur Universität?
Ich hatte große Probleme mit dem Sprechen. In meiner Kindheit rauschten Wörter nur rein und direkt wieder raus, ich bin ein sogenannter hoch funktioneller Autist und lernte Deutsch wie eine Fremdsprache. Die Schule war dann eine Art Droge für mich: alle saßen auf einem festen Platz, durften nur nacheinander reden und wir schrieben auf exakt geraden Linien. Stellen Sie sich vor, Sie geben jedem Grundschüler am ersten Tag einen Joint. So fühlte sich das an.
War die Schule also ein Paradies?
Gefühlt ja. Schwierig war es trotzdem. Die Lehrerin konnte zum Beispiel selten lesen, was ich geschrieben hatte. So wollten mich die Lehrer nach der Grundschule auf die Hauptschule schicken. Nur meine Mutter brachte mich aufs Gymnasium, obwohl ich mir noch nicht einmal das Wort für „Gymnasium“ merken konnte.
Aber dann haben Sie es doch noch zum Abitur geschafft?
In der Oberstufe beschäftigte ich mich mit Theaterstücken und stellte mir dann vor, ich würde nicht zwei Stunden, sondern zwölf Monate lang ein Theaterstück spielen. Dadurch hat sich mein Schnitt dann von 2,4 auf 1,2 halbiert und ich wurde Jahrgangsbester. Für mein Studium hat es mir aber nichts genutzt, da ich das Gefühl hatte, mich dort dauerhaft in ein System einfügen zu müssen. Das wollte ich nicht.
Was kann die Universität denn für Menschen wie Sie tun?
Der Kernpunkt hat nicht so viel mit der Uni zu tun. Autisten müssen Freunde finden, die sie durchs Studium begleiten. Das lohnt sich auch für Nicht-Autisten: Sie machen enorme Fortschritte in ihrer Sozialkompetenz. Die Nicht-Autisten werden dann mit niemandem mehr Schwierigkeiten haben. Und es bringt viel Spaß.
Aber was kann die Uni selbst tun?
Mit der Organisation von Veranstaltungen, wo explizit zum Kennenlernen zwischen diesen Gruppen aufgerufen wird. Sie muss die Freundschaften anstoßen. Ich habe nämlich am meisten von meinen Freunden gelernt.
Interview: Albert Wenzel
Vorlesung „Geld verdienen in der Räuberhöhle“: 16.15 Uhr, Hörsaal H des Uni-Hauptgebäudes, Edmund-Siemers-Allee 1
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