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Falsch und ahistorisch

Anfechtung eines Urteils

Ist es üble Nachrede, einen Politiker politisch einzuordnen? Offensichtlich, denn Ende März verurteilte das Amtsgericht Bremen Jörn Hermening zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro, weil er Mark Runge, Bremer Beirats-Abgeordneter der „Bürger in Wut“ (BIW) bei Facebook als „Rechten“ betitelt hatte. Hermening ging in Revision – am Dienstag wird vorm Landgericht erneut verhandelt.

Selbst die Bundeszentrale für politische Bildung stuft die BIW als rechtspopulistisch ein. Auf ihrer Homepage heißt es: „Die Partei bezeichnet sich selbst als „bürgerlich-konservative“ Wählervereinigung (...) In der Politikwissenschaft besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Partei zu den rechtspopulistischen Parteien zu zählen ist. Zu dieser Einstufung geben insbesondere programmatische Aussagen zur Inneren Sicherheit und zur Ausländer- und Zuwanderungspolitik Anlass.“

Im Bürgerschaftswahlkampf hieß es auf einem BIW-Plakat, aufgehängt unmittelbar vor dem Haus einer Jugendhilfeeinrichtung für minderjährige Flüchtlinge in der Rekumer Straße in Bremen: „Vollzug statt schöner Wohnen.“ Darauf und auf die von rassistischen Kommentaren durchzogene Facebook-Gruppe „Rekumer Straße – Nicht mit uns“ reagierte Hermening: Er initiierte seinerseits eine Gruppe mit dem Namen „Ein Zuhause in Bremen nicht nur für ausgewählte Flüchtlinge“ bezeichnete Runge dort als „rechts“.

Denn der ist nicht nur Mitglied der BIW, sondern auch der „Rekumer Straße – Nicht mit uns“-Gruppe, der Pegida-Sympathisanten-Gruppe „SPW Sammelbecken politischer Wutbürger“ und der Gruppe „Konservative Bürgerbewegung“, wo selbst die AfD schon mal als „linkspopulistisch“ gilt.

Neben dem Bremer Neonazi Markus Privenau oder dem NPD-Politiker Sascha Humpe tummelt Runge sich in einer weiteren Facebook-Gruppe, die Stimmung gegen Flüchtlinge in Schwanewede macht (siehe Text links).

Runge politisch rechts zu verorten, stellt für das Amtsgericht dennoch üble Nachrede dar. In der Urteilsbegründung heißt es, dass „eine Bezeichnung einer Person als ’rechts‘ gemeinhin dahin verstanden (werde), dass es sich dabei um Anhänger des Nationalsozialismus handelt.“

Eine abenteuerliche Interpretation, über die sich auch Sebastian Ellinghaus, stellvertretender Leiter der Bremer Landeszentrale für politische Bildung, wundert: Diese Gleichsetzung sei „falsch und ahistorisch“. Politisierung und Dialog werde künftig schwierig, wenn Begriffe wie rechts oder links plötzlich inkriminiert würden. Hoffentlich sieht das am Dienstag auch das Landgericht so. SCHN

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