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Vom Lesen in Zeiten des Internethandels

Buchkultur Eine Sache der Leidenschaft, ohne scheelen Blick auf Bestsellerlisten: Der Berliner Buchhandel trotzt dem Online-Handel, gerade kleine und mittelständische Läden legen zu

Obst an Schinken, als Zeichen der Vergänglichkeit. Aber nicht nur für so ein StillIeben nach alter flämischer Malschule bleibt er immer aktuell: der Griff zum guten Buch Foto: Müggenburg/plainpicture

von Nina Apin

Dem Berliner Buchhandel geht es gut. Angesichts der digitalen Umwälzung der Buchbranche ist das eine erstaunliche Neuigkeit. Noch erstaunlicher ist, dass es vor allem die kleinen und mittelgroßen Buchhandlungen sind, die zulegen. Rund 230 Millionen Euro Umsatz jährlich machen die rund 300 mittelständischen Buchhandlungen mit klassischem Sortiment seit 2012 – Zahlen, die bis heute stabil bleiben. Wenn man sich die Konkurrenz durch den Onlinebuchhandel und das E-Book einerseits und die Konkurrenz durch große Ladenketten wie Hugendubel oder Thalia andererseits vor Augen hält, dann ist das schon eine kleine Sensation.

Klar, es gibt nicht mehr so viele Buchläden in der Stadt wie in den Nachwendejahren, als der Lesehunger der Ostberliner für Traumumsätze sorgte. Und insgesamt betrachtet sind, wie in der gesamten Bundesrepublik, auch in Berlin die Anzahl der Läden und die Göße der von ihnen belegten Fläche rückläufig. Aber wer geblieben ist, der hat eine echte Chance, zu bleiben.

Von einer „erfreulichen Entwicklung“ spricht auch Detlef Bluhm, Vorsitzender des Berliner Landesverbandes des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Der Branchenfachmann beobachtet ein langsames Umdenken der Kunden. Die wenden sich, abgestoßen von den miesen Arbeitsbedingungen, die etwa bei Amazon herrschen, wieder ab vom Internet. Und suchen wieder persönliche Beratung bei ihrem Buchladen um die Ecke.

Nur vor Ort sein reicht allerdings nicht aus für den Erfolg. Die Kunden sind anspruchsvoll geworden. Sie wollen das Spezielle, Handverlesene. Und dazu vielleicht auch noch einen Kaffee. Es sind die Buchläden, die es gleichermaßen schaffen, sich in einem Kiez zu verankern und über besondere Akzente ein breiteres Publikum anzusprechen, die in Berlin gedeihen.

Klingt unmöglich? Ist es nicht. Denn das Interesse am Buch ist weiterhin groß in Berlin. Erst vergangene Woche feierte man mit Pomp im Spiegelfoyer des Berliner Ensembles den Neustart des „Literarischen Quartetts“. Ein vielbeachtetes Event – obwohl da kein E-Book weit und breit zu sehen war! Laut dem Buchhandelsexperten Bluhm hat die Digitalisierung die Umsätze im Buchhandel allenfalls umgeschichtet. Eingebrochen sind sie aber nicht.

Wieder bei den Kunden gefragt: die persönliche Beratung beim Buchladen um die Ecke

Wo das Buch lebt, werden auch die Buchhändler mutiger. Unter den Neugründungen etwa der letzten fünf Jahre sind besonders viele Läden, die auf die Bestsellerlisten pfeifen. Und stattdessen die ganz persönliche Leseleidenschaft der Inhaber zum Konzept machen. Bluhm nennt es den „kuratierten Buchhandel“.

Die taz.berlin zeigt, mit welch unterschiedlichen Geschäftsideen Berliner Buchläden auf ihre Kunden zugehen.

Streifzug durch den Berliner Buchhandel: „Totgesagte lesen länger“

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