Mobilität

Das US-Unternehmen Uber bietet über eine Smartphone-App verschiedene Fahrerdienste an. Doch damit sind nicht alle glücklich

Taxifahrer aus ganz Europa protestieren in Brüssel gegen die Konkurrenz von Uber Foto: Yves Herman/Reuters

Der Kampf der Fahrer

Protest Taxifahrer aus halb Europa blockieren die Brüsseler Innenstadt. Sie demonstrieren gegen den Konkurrenten Uber, dessen Geschäftsgebaren sie als unfair empfinden. Doch die Firma streckt ihre Fühler längst nach ganz neuen Technologien aus

AUS BRÜSSEL UND BERLIN Eric Bonse und Svenja Bergt

Rien ne va plus, nichts geht mehr: Das haben am Mittwoch viele Brüsseler zu hören und zu spüren bekommen. Taxifahrer aus halb Europa hatten erst den Autobahnring, dann die Zufahrt zum Flughafen blockiert, um gegen die „unfaire Konkurrenz“ des US-Unternehmens Uber zu protestieren. An der Demo nahmen Fahrer aus Paris, London und sogar aus der Schweiz teil.

Mit Share Economy haben die Fahrdienst-Angebote von Uber nicht viel zu tun​

Am Nachmittag zog ein großer Konvoi ins Europaviertel. Doch die EU-Kommission hatte zunächst kein Gespräch mit den Taxifahrern geplant, die ihre Fahrzeuge mit Fahnen und Schildern wie „Dies ist kein Geheimtaxi“ oder „Hau ab, Uber“ versehen hatten. Stattdessen wollte BelgiensFinanzminister Johan Van Overtveldt eine Delegation der Fahrer empfangen.

In Paris und Marseille wehren sich Taxifahrer mit Händen und Füßen gegen die neue, „unloyale“ Konkurrenz. Uber-Fahrer wurden bedroht und sogar angegriffen. Bei Demonstrationen der Taxifahrer, die im Sommer mehrfach die Autobahn in Richtung des Pariser Flughafens Roissy sperrten, wurden auch Uber-Fahrzeuge demoliert. Unfair ist aus Taxi-Perspektive, dass die Uber-Fahrer keine teure Lizenz – in Paris kostet die mehrere Zehntausend Euro – erwerben und keine spezielle Prüfung absolvieren müssen. Bisher gehörte das Taxigeschäft zu den reglementiertesten Berufen in Frankreich. Einzige Konkurrenz waren Limousinen mit Chauffeur, die aber nur nach telefonischer Bestellung Passagiere befördern dürfen. Dieses System hat Uber unterlaufen. Die Regierung hat versprochen, den Konflikt per Gesetz zu regeln. Das steht aber im Widerspruch zu den Bemühungen, den Personentransport zu liberalisieren. (rb)

Die Demonstranten werfen Uber vor, Dumpingtarife zu nehmen und keine Steuern und Sozialabgaben zu zahlen. Zwar sind die meist selbständigen Uber-Fahrer dazu nach belgischem Recht verpflichtet. Die Regierung in Brüssel gehe gegen Verstöße aber gar nicht oder viel zu lax vor, klagen die Fahrer, die selbst hohe Steuern und Abgaben zahlen. Auch die EU unternehme zu wenig, um den Berufsstand gegen die Konkurrenz aus Übersee zu schützen.

Ähnliche Konflikte gibt es auch in anderen Ländern (siehe unten). Uber kontert die Vorwürfe etwa damit, dass die Fahrer tatsächlich in freier Zeiteinteilung fahren würden. Und mit Zahlen, wonach Uber-Fahrer in den USA viermal so viel Steuern pro Fahrt zahlten wie bei einem Taxi – was dem Staat bis Ende August 40 Millionen US-Dollar an Steuern eingebracht hätte.

Taxifahren in Peking ist eine Qual: Die Sitze sind dreckig, es stinkt nach Rauch, die Fahrer sind vom Dauerstau genervt. Seit Taxi-Apps üblich sind, halten viele nicht mehr am Straßenrand, sondern reagieren nur auf Onlinebestellungen. Wer seine Ortsangaben nicht korrekt in die App einspricht, wird einfach nicht abgeholt. Uber ist daher für viele Kunden ein Segen. Der US-Firma zufolge werden täglich über 1 Million Fahrten gebucht. Damit ist China der größte Uber-Markt nach den USA. Das lässt sich das Unternehmen einiges kosten: Allein dieses Jahr soll 1 Milliarde Dollar in China investiert werden. Dabei ist die Volksrepublik kein einfacher Markt: Er wird von der lokalen Taxi-App Didi Kuaiche dominiert, und die Behörden vermuten, dass der US-Fahrdienstvermittler gegen Beförderungsregeln verstößt. Vor allem aber fürchten sie den Zorn der Taxifahrer, die bereits in mehreren Städten handgreiflich gegen Uber-Fahrer wurden. (flee)

Deutsche Taxis waren bei der Brüsseler Demo nicht zu sehen – obwohl die hiesige Taxibranche einer der hartnäckigsten Gegner des in mittlerweile 60 Ländern tätigen Unternehmens ist. Je nach Markt bietet Uber dabei unterschiedliche Dienste an: etwa die Vermittlung von Limousinen oder Mietwagen samt Chauffeuren. Doch im Zentrum der Kritik steht meist der – in Deutschland mittlerweile eingestellte – Dienst UberPop: Hier sollen Privatleute mit ihrem eigenen Auto Passagiere befördern. Es gehe dem Unternehmen darum „die Straßen zu entlasten und Autobesitzern die Möglichkeit zu bieten, ihre Fahrzeuge der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen“.

Schluss, aus: Uber darf keine entgeltpflichtigen Fahrten mittels seines Dienstes UberPop mehr vermitteln, entschied das Landgericht Frankfurt im März als Höhepunkt einer Reihe von Verfahren gegen den Fahrtenvermittler. Obwohl Uber in Berufung gegangen ist und das Urteil daher noch nicht rechtskräftig ist, zeigt es Wirkung: So kündigte das Unternehmen an, nur noch Fahrer mit Personenbeförderungssschein einzusetzen, und startete dafür eine neue Vermittlungsplattform. Zudem hat sich Uber bei der EU-Kommission beschwert: „Obwohl wir eine digitale Vermittlungsplattform sind, fallen wir unter Gesetze, die noch aus den 1950er Jahren stammen“, so ein Uber-Sprecher. Dass die Rechtslage in Deutschland ein paar Reformen vertragen könnte, bestreiten auch Vertreter der Taxiwirtschaft nicht. Auch von dieser Seite kommt Kritik etwa an den Ortskentnissprüfungen und der strengen Lizenzvergabe. (sve)

Uber sieht sich gerne als Teil der „Share Economy“, einer Wirtschaftsphilosophie, die ökologisches Verhalten und Ressourcenschonung durch das Teilen von Gütern meint. Doch in der Praxis ist es kaum der Fall, dass Uber-Fahrer lediglich auf sowieso gefahrenen Wegen Passagiere mitnehmen, was – abhängig vom sonst gewählten Verkehrsmittel – einen ressourcenschonenden Effekt haben könnte. Vielmehr transportieren Fahrer gezielt Fahrgäste – was die Taxifahrer nicht gerne sehen.

In Nordamerika ist das Netz am dichtesten: In mehr als 170 Städten bietet Uber hier seine Dienste an. Dort droht Uber nicht nur Ärger mit Taxifahrern und Regulierungsbehörden – sondern vor allem vonseiten der eigenen Fahrern. Nachdem die monatelang darauf drängten, nicht selbständig, sondern angestellt beschäftigt zu werden, können sie einen ersten Erfolg verbuchen: Anfang September ließ ein kalifornisches Gericht eine entsprechende Sammelklage zu. Sie bezieht sich auf mehrere Angebote, mit denen unterschiedliche Dienstleistungen vermittelt werden, etwa Chauffeure oder Mitfahr­gelegenheiten. Der Angestelltenstatus würde Uber-Fahrern einen besseren Arbeitsschutz verschaffen – und die Firma damit Geld kosten. Uber argumentiert, dass zahlreiche Fahrer – etwa Studenten oder Rentner – in Teilzeit tätig seien, nur wenige Stunden wöchentlich und zudem sehr unregelmäßig arbeiten würden. (sve)

Trotz der Kritik scheint Uber auf lange Sicht zu planen und investiert in Technologien, die dem Unternehmen selbst eines Tages nützen könnten. So finanziert es unter anderem einen Lehrstuhl für Robotik mit 5,5 Millionen US-Dollar. Vor drei Wochen unterzeichnete es eine Vereinbarung mit der University of Arizona zur Kooperation bei der Entwicklung von digitalem Kartenmaterial. Mit Fahrzeugen, die keinen Fahrer – und somit keine Ortskenntnisprüfung, keine Festanstellung und keine Sozialleistungen – benötigen, wären ein guter Teil der Probleme gelöst, die Uber derzeit hat.

Doch gestern mussten erst einmal die Brüsseler die Folgen der Proteste gegen Uber ausbaden. Busse blieben im Verkehrschaos stecken, Straßenbahnen fuhren nicht mehr in die chronisch verstopfte Innenstadt, die Metro war überfüllt. Am internationalen Flughafen Zaventem mussten Reisende sogar zeitweise zu Fuß mit Polizeibegleitung zu den Abfertigungsanlagen gehen – die Zufahrten wurden von querstehenden Taxis blockiert.Meinung + Diskussion