UN-Versammlung

Die katastrophale Entwicklung in Syrien brachte Barack Obama und Wladimir Putin wieder zum Reden. Was kam dabei heraus?

Da möchte man „Cheeeeeese!“ schreien: Wladimir Putin und Barack Obama treffen sich bei der UNO in New York Foto: Chip Somodevilla/dpa

Unentschieden anderer Meinung

DIPLOMATIE Nach dem Treffen der Präsidenten Obama und Putin bei der UNO in New York sind beide sich in einem Ziel einig: Der IS muss weg. Doch beim Thema Syrien scheiden sich die Geister, der Ausgang ist offen und nur Putin hat einen klaren Plan

aus New York DOROTHEA HAHN

Die Terrororganisation IS wollen beide loswerden. Aber über den Weg dahin sind Barack Obama und Wladimir Putin zutiefst uneinig: Russlands Präsident rüstet die syrischen Regierungstruppen mit Panzern und Flugzeugen aus. Er betrachtet Syriens Machthaber Baschar al-Assad als Verbündeten und sagt vor der Vollversammlung der UNO, dass er – „zusammen mit den kurdischen Milizen“ – der Einzige sei, der gegen die terroristischen Organisationen kämpfe.

Der amerikanische Präsident hingegen sieht keine Möglichkeit für eine Zusammenarbeit mit dem syrischen Diktator, der sein eigenes Volk bombardiert. Vor der UNO sagt Obama, dass es nach dem Blutvergießen der letzten Jahre keinen Weg zurück zum Status quo vor dem Krieg geben könne.

Immerhin: In New York sprechen Obama und Putin jetzt wieder direkt miteinander. Seit Juni 2013, als Moskau dem US-Whistleblower Edward Snowden Asyl gab, war Obama seinem russischen Kollegen zwar mehrfach bei internationalen Gipfeln über den Weg gelaufen, aber eine Reise nach Moskau sagte er ab, und das direkte Gespräch mit Putin vermied er.

Der russisch-amerikanische Gipfel in einem Konferenzraum des Weltsicherheitsrats am Montagabend dauert 90 Minuten. Davon widmen sie, heißt es, die erste Hälfte der Ukraine, die zweite Syrien. Bei dem kurzen Fototermin wirken beide Präsidenten stocksteif, am Mittagstisch sitzen sie getrennt durch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Hinter einem bunten Blumengebinde stoßen sie mit ihren mit Roséwein gefüllten Gläsern an, Obama ohne eine Miene zu verziehen, Putin mit einem kleinen Lächeln.

Für Obama ist Assad ein Tyrann, für Putin ein Bündnispartner und Bollwerk gegen den islamistischen Terrorismus

Der russische Präsident wiederholt an diesem Tag sein Angebot, gemeinsam gegen IS und andere terroristische Gruppen vorzugehen, und nutzt einen historischen Titel dafür: „Anti-Hitler-Koalition“. Zum ersten Mal seit zehn Jahren spricht er vor der Vollversammlung der UNO, wobei er die Gelegenheit für ein paar gezielte Stiche gegen Obama nutzt. Er beginnt seine Rede zum 70. Jahrestag der UNO mit dem Hinweis, die Idee für die internationale Organisation sei in seinem Land entstanden: in Jalta – auf der Krim, die Russland 2014 annektiert hat. Später wirft er den USA Arroganz der Macht vor, die sie aus ihrer dominanten Position nach dem Ende des Kalten Krieges entwickelt und zum Ausbau der Nato und zu anderen feindseligen Gesten genutzt hätten. Das Vorgehen der USA in Syrien nennt Putin sowohl „illegal“ aus auch „ineffizient“. Die UNO stütze die Ausbildung, die Finanzierung und die Waffenlieferungen an Rebellen zum Zwecke des Regimesturzes nicht. Al-Assad sei heute das einzige Bollwerk gegen den Terrorismus sei. Falls die Institutionen von Al-Assad zusammenbrächen, würden auch in Damaskus Islamisten in das Machtvakuum vorstoßen, warnt der russische Präsident, „genau wie im Irak und in Libyen“.

Schon vor seinem UNO-Auftritt hat Putin in einem Interview mit dem US-TV-Sender CBS detailliert ein militärisches Debakel der USA in Syrien beschrieben. Die USA wollten 5.000 „moderate“ Rebellen zu „Kämpfern“ ausbilden und stellten dafür eine halbe Milliarde Dollar bereit. Doch nur „50 bis 60“ Kämpfer wurden einsatzfähig. Davon wiederum waren die meisten bereits nach der ersten Auseinandersetzung mit Islamisten entweder tot, verletzt oder gefangen. Nur „vier oder fünf“ Kämpfer blieben übrig und händigten ihre US-amerikanischen Waffen den Terroristen aus.

Auf eine Ukrainedebatte lässt Putin sich nicht ein

Obama erklärt in seiner Eröffnungsrede vor der UNO, dass es keine einfachen Antworten in Syrien und im Nahen Osten geben könne: Jede Lösung brauche Zeit. Obama sagt auch – und das ist neu –, dass er bereit sei, mit jedem zusammenzuarbeiten, auch „mit Russland und dem Iran“. Zugleich geht er ausführlich auf Moskaus Rolle in der Ukraine ein: Mit Diplomatie hätte Russland dort mehr erreichen können, als mit Aggressionen, meint der US-Präsident. Die Sanktionen seines Landes gegen Russland seien erfolgreich.

Putin lässt sich auf keine Ukrainedebatte ein. Er konzentriert sich auf Syrien. Da zeigt er sich stark, er hat eine Strategie, inklusive Bündnispartner.

Millimeterweise Annäherung und demonstratives Misstrauen: Am Ende gaben sie sich immerhin die Hand Foto: Mikhail Klimentiev/Ria Novosti/dpa

Obama hingegen hat in Syrien zwar zahlreiche Gegner ausgemacht, verfügt aber über keine Verbündeten im Land und keine Strategie für ein eventuelles Hinterher.

Am Tag vor Beginn der UNO-Vollversammlung legt Putin eine zusätzliche Schwäche des US-Präsidenten offen. Er gründet ein „Büro“, das geheimdienstliche Informationen über den IS und andere Terrorgruppen sammelt. Beteiligt sind außer Moskau auch Damaskus, Teheran und Bagdad. Sitz soll in Bagdad sein.

In New York klingt es, als ob die USA nichts von diesem Plan, an dem auch ihre irakischen Verbündeten beteiligt sind, wussten. Aber Putin sagt bei einer Pressekonferenz, das Büro sei „offen für alle Länder, die den Terrorismus bekämpfen wollen“. Während der UNO-Vollversammlung hat Putin auch mit Benjamin Netanjahu über Syrien gesprochen. Bei seiner Pressekonferenz am Montagabend kommentiert der Russe die Luftangriffe der USA, Frankreichs und Australiens in Syrien. „Soweit ich weiß, sind Hollande und Obama keine syrischen Bürger“, sagt er bei seiner Pressekonferenz. Er will nicht ausschließen, dass Russland sich an künftigen Luftangriffen beteiligt. Aber nur, sagt er, wenn es dafür ein UN-Mandat gebe.

Vorschlag: Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich dafür ausgesprochen, den Iran in die Friedensbemühungen für den Syrien-Konflikt einzubinden. „Der Iran ist ein zentraler regionaler Akteur, der für eine Lösung gebraucht wird“, sagte er am Dienstag in New York. „Nur wenn wir jetzt alle wichtigen Akteure an einen Tisch holen, können wir es schaffen.“ Teheran ist einer der wichtigsten Unterstützer des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Steinmeier äußerte sich nach einem Treffen mit den Außenministern der fünf UN-Vetomächte (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien). Die 5+1-Gruppe hatte im Juli mit dem Iran den Kompromiss zum Atomprogramm zustande gebracht. Das Modell könnte auch Kern einer neuen Syrien-Kontaktgruppe sein. Der Iran müsse in den nächsten Wochen damit beginnen, seine Vorräte an angereichertem Uran zurückzuführen sowie seine Zentrifugen und seinen Schwerwasserreaktor abzubauen, sagte Steinmeier. Erst dann könnten die Sanktionen außer Kraft gesetzt werden.(dpa)

Der russische Präsident bestreitet, dass die Ukrainesanktionen eine Wirkung auf Russland haben. Aber er gibt umstandslos zu, dass sein Land Interessen in Syrien hat – wo Russland einen Marinestützpunkt und seinen einzigen Zugang zum Mittelmeer hat.

Obama klingt verhaltener. Er ist sowohl innenpolitisch als auch international wegen Syrien unter Druck geraten. Im Jahr 2003 war er einer der wenigen Kongressabgeordneten, die gegen den Irakkrieg gestimmt haben. Als US-Präsidenten hat er das Ende der Kriege in Afghanistan und Irak gesucht und für neue Konfliktschauplätze – inklusive Syrien – die Devise „keine Bodentruppen“ ausgegeben. Doch jetzt werden in den USA die Stimmen für ein stärkeres Eingreifen lauter. Zugleich sorgt die Fluchtbewegung aus Syrien dafür, dass sowohl aus der EU, der Türkei und den arabischen Nachbarländern Syriens der Ruf nach einer Verhandlungslösung des Konflikts kommt.

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