: Geisel drückt aufs Tempo
ABGEORDNETENHAUS I Stadtentwicklungssenator verteidigt beschleunigtes und engeres Bauen. Die Grünen sehen in seinen Leichtbauwohnungen die Armenviertel von morgen
von Stefan Alberti
Beim Streit über das Mietenvolksbegehren scheint die Lage beruhigt, nun streiten sich die rot-schwarze Koalition und die Opposition über Tempo und Aussehen dringender Neubauvorhaben. „Das sind keine Elendsunterkünfte“, verteidigte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus seine Pläne für 15.000 Leichtbau-Wohnungen. Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek hatte diese Bauten „Wohnkästen“ genannt und kritisiert, so die „Armenviertel von morgen“ zu schaffen.
In der zentralen Debatte über das Thema Mieten und Wohnen hielt die Opposition Rot-Schwarz vor, dass allein das Volksbegehren für Bewegung in Sachen bezahlbare Mieten gesorgt hätte. „Die Initiatoren haben dem Senat Beine gemacht“, sagte die Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion, Katrin Lompscher.
Vertreter des Senats, der SPD und der Initiative hatten sich Mitte August auf einen Kompromiss geeinigt. Der sieht im Kern vor, dass Sozialmieter höchstens 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen, den Rest zahlt das Land. Falls aus dem Kompromiss bis Ende Oktober ein Gesetz wird, hat sich die Initiative offen gezeigt, das Volksbegehren nicht weiterzuführen und keinen Volksentscheid anzustreben. Dieser Zeitplan funktioniert bisher: Vor zehn Tagen beschloss der Senat den Gesetzentwurf dazu, im Parlament kommt er jetzt in die Ausschüsse.
In Sachen Neubau, konkret für das Gebiet am Mauerpark – wo die Landesregierung im Frühjahr die Planung vom Bezirk an sich zog –, kritisierte die Linken-Politikerin Lompscher fast sämtliche jüngsten Ansätze des Senats. Der habe die Lektion seiner Abstimmungsniederlage beim Tempelhofer Feld 2014 offensichtlich nicht verstanden: „Für uns sind Entmachtung der Bezirke, Ignorieren des Bürgerwillens und Beschleunigungsverfahren nicht hinzunehmen“, sagte Lompscher.
Senator Geisel hingegen argumentierte mit dem zunehmenden Bevölkerungswachstum in der Stadt. Für 2016 seien zwar bislang 15.000 Wohnungen geplant, doch reiche das bei schätzungsweise 80.000 neuen Berlinern im nächsten Jahr eben beim Weitem nicht aus. „Vor diese Aufgabe gestellt, müssen wir das bisherige Tempo, die bisherige Logik des Wohnungsbaus verlassen“, sagte der Senator. Außerdem soll sich die Bevölkerung damit anfreunden, dass künftig enger gebaut wird, um nicht die Grünreserven zu verbauen. Das müsse man den Leuten erklären, „wegducken hilft da nicht“, sagte Geisel. „Die Stadt wächst auch von allein, unsere Aufgabe ist es, einen sozialen Ausgleich zu moderieren.“
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