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Griechenland vor der WahlDie neue Unübersichtlichkeit

In knapp drei Wochen wird ein neues Parlament gewählt. Trotz Abspaltung ihres Pro-Grexit-Flügels liegt Syriza in den Umfragen knapp vorn.

Es wird knapp für ihn und seine Partei: Syriza-Vorsitzender Alexis Tsipras. Foto: reuters

Berlin taz | Die politische Landschaft in Griechenland sortiert sich neu. Knapp drei Wochen vor der Parlamentswahl am 20. September entstehen neue Bündnisse, während alte zerfallen. So hat die bisherige Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou Anfang der Woche nun auch offiziell ihren Austritt aus dem Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) erklärt und angekündigt, als „unabhängige Kandidatin“ für deren Linksabspaltung Laiki Enotita („Volkseinheit“/LAE) zu kandidieren.

Der Neugründung von Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis, die für einen „linken“ Grexit eintritt, hatte sich zuvor bereits der frühere Syriza-Vorsitzende Alekos Alavanos angeschlossen. Der Vorgänger von Alexis Tsipras hatte Syriza 2011 verlassen, weil er deren Pro-Euro-Kurs nicht mittragen wollte. Seine daraufhin ins Leben gerufene Partei „Plan B“ blieb jedoch völlig unbedeutend. Nun nimmt Alavanos mit den Drachmisten der LAE einen neuen Anlauf.

Bereits 2010 von Syriza abgetrennt hat sich die linkssozialdemokratische Demokratische Linke (Dimar). Bei der vergangenen Parlamentswahl im Januar 2015 kandidierte sie gemeinsam mit den griechischen Grünen, scheiterte jedoch deutlich an der 3-Prozent-Hürde und flog aus dem Parlament. Diesmal wird die Dimar gemeinsam mit der sozialdemokratischen Pasok als „Demokratische Allianz“ antreten.

Die Bemühungen der Pasok, auch ihren Exvorsitzenden Jorgos Papandreou mit ins Boot zu holen, sind hingegen gescheitert. Der ehemalige Ministerpräsident hatte im Januar 2015 die von seinem Vater gegründete Partei verlassen und die „Bewegung des Demokratischen Sozialismus“ (Kidiso) gegründet. Bei den Wahlen im Anfang des Jahres verpasste Kidiso knapp den Einzug ins Parlament. In einer Erklärung teilte Papandreou, der immer noch Präsident der Sozialistischen Internationalen ist, am Dienstag mit, Kidiso werde diesmal nicht antreten.

Verwerfungen in der Dimar

Innerhalb der Dimar sorgt die Kooperation mit der Pasok für heftige Verwerfungen. So trägt der Parteigründer und frühere Vorsitzende Fotis Kouvelis die Entscheidung nicht mit. Der 67-jährige Rechtsanwalt, der einst gegen die Obristendiktatur kämpfte und 1989 kurzzeitig als Justizminister amtierte, gilt als einer der angesehensten Politiker Griechenlands. Bis zu seinem Austritt 2010 war er Vorsitzender der Syriza-Fraktion im griechischen Parlament und Kopf des Reformflügels in der Partei.

Im Gegensatz zur Dimar-Mehrheit ruft Kouvelis nun wieder zur Wahl von Syriza auf. „Heute ist es zwingend erforderlich, Syriza zu unterstützen“, sagte er dem Radiosender Parapolitika 90.1. Er wolle mit allen Kräften dazu beitragen, dass das Land erneut eine progressive Regierung bekommt. „Für Syriza kommt es darauf an zu demonstrieren, dass die Linke nicht nur für die Opposition taugt, sondern auch fähig ist, mit mit sozialer Sensibilität, mit Realismus und mit Verantwortungsbewusstsein zu regieren“, sagte er. Ob er selbst auf der Wahlliste von Syriza antreten wird, ließ Kouvelis offen. Bislang habe er dazu noch keinen konkreten Vorschlag erhalten.

Umfragen sehen Kopf-an-Kopf-Rennen

Laut den aktuellen Umfragen dürfte es bei der Wahl zu einem ganz engen Rennen zwischen Syriza und der konservativen Nea Dimokratia (ND) kommen – die beide allerdings ein deutlich schlechteres Ergebnis als im Januar einfahren könnten. Damals verfehlte Syriza mit 36,3 Prozent - und dank der 50 Bonusmandate für den Sieger - nur um zwei Sitze die absolute Mehrheit im Parlament. Die ND kam auf 27,8 Prozent.

Bisher liegen die Umfragezahlen von acht Instituten vor, die aufgrund unterschiedlicher Methoden allerdings stark voneinander abwichen. Alle sehen jedoch Syriza mehr oder weniger knapp vorn. Danach rangiert Syriza in der Wählergunst derzeit zwischen 23 und 29 Prozent, während die ND auf einen Zuspruch zwischen 18,3 und 27,8 Prozent bauen kann.

Weit abgeschlagen dahinter streiten sich die anderen um den dritten Platz: Die Syriza-Abspaltung LAE (3,5 bis 6,1 Prozent) liegt Kopf an Kopf mit der liberalen To Potami (4 und 6,7 Prozent), der marxistisch-leninistischen KKE (4,2 und 6 Prozent) und der Pasok (2,9 und 5,4 Prozent). Erstmalig ins Parlament einziehen könnte die liberale Zentrumsunion (2,6 bis 4,9 Prozent), während die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (2 und 3,5 Prozent) um ihren Wiedereinzug bangen müssen. Was leider nicht für die faschistische Goldene Morgenröte gilt, die in den Umfragen zwischen 5,5 und 8,3 Prozent gehandelt wird.

Deutsche Linkspartei zerstritten

Die Spaltung von Syriza zieht sich auch durch die europäische Linke. So handelten sich die Spitzen der deutschen Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, heftigen Protest ihres linken Flügels ein, als sie gemeinsam mit Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi verkündeten, Alexis Tsipras genieße weiterhin „ungebrochenes Vertrauen“ und werde von ihnen „mit allen Kräften“ unterstützt.

Der nordrhein-westfälische Landesverband der Linkspartei distanzierte sich am Mittwoch von Tsipras und Syriza. Sie würden stattdessen jetzt mit der LAE und dem linksautonomen Anti-EU-Bündnis Antarsya zusammenarbeiten, erklärten die Landessprecher Özlem Alev Demirel und Ralf Michalowsky. Antarsya kam bei der letzten Wahl auf 0,64 Prozent, in den Umfragen liegt die Splittergruppe derzeit zwischen 1,3 und 1,4 Prozent.

Während der Vorsitzende der französischen Parti de Gauche, Jean-Luc Mélenchon, ebenfalls mit Syriza gebrochen hat und zur Unterstützung der LAE aufruft, hält der spanische Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias hingegen an seiner Solidarität mit Tsipras fest: „Wir sind Freunde und Genossen, auch wenn einige das nicht mögen“, twitterte Iglesias. „Wir kämpfen für ein demokratisches Europa.“

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