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Diskurs zubetoniert

KLÖTZCHEN-ARCHITEKTUR

Die architektonisch und verkehrstechnisch chaotische, aber großzügig freie Fläche vorm Bremer Bahnhof wird bebaut. Am Mittwoch nimmt Bremens Bürgermeister Carsten Sieling, der derzeit noch mit der Lokalredaktion der Bild-Zeitung, Frau und Kindern in einer von arrivierten K-Grupplern zur Verfügung gestellten Villa im Piemont Urlaub macht, den symbolischen ersten Spatenstich vor. 130 Jahre nach Baubeginn des Neorenais­sance-Bahnhofs kommt hier jetzt Beton hin. Bauherr ist die Hamburger Achim Griese Treuhandgesellschaft.

Unter zwei von Klötzchenarchitekt Max Dudler errechneten siebenstöckigen Bürotürmchen wird mindestens ein Jahrzehnt unausgesetzter, oft hitziger Debatten um Verkauf, Gestaltung und Nutzung des Platzes begraben. Und flöten geht der Ausgangspunkt zahlreicher Demos und der zweite für größere Kundgebungen geeignete Platz Bremens, auf den politisch Bewegte ausweichen konnten, wenn der Markt vor Rathaus und Bürgerschaft gerade wegen Weinachtsmarkt oder anderer Stinkebudenevents belegt war.

Ob dieser Nebeneffekt erwünscht ist – keine Ahnung. Das öffentlich formulierte politische Ziel der Maßnahme lautet, „das Eingangstor Bremens in einer repräsentativen Weise“ zu gestalten, „um neben den Kaufpreiseinnahmen einen Imagegewinn und ein Investitionssig­nal zu erzielen“. Repräsentativ, na das wird klappen, denn nichts wäre repräsentativer für einen eher fantasiearmen und emotionslosen Zeitgeist, als Dudlers rationaler Minimalismus (rechteckige Fensteröffnungen in Quadern) oder minimalistischer Rationalismus (Quader mit rechteckigen Fensteröffnungen):

Das ist nicht hässlich, aber auch nicht originell, herausragend oder auch nur bemerkenswert: Fast jede große bis mittelgroße deutsche Stadt hat sich in den vegangenen zehn Jahren von Dudler Baulücken schließen lassen. Entsprechend ist mit Imagegewinn wohl nur gemeint, dass die Hochstraße, die bislang die Sichtachse zwischen City und Bahnhof durchschneidet, aus dem Blick gerät. Das mit dem Geld ist dagegen selbstverständlich Quatsch: Zwar kriegt Bremen Kohle fürs Grundstück, zahlt aber auch dafür, in den Neubauten Behörden und eigene Betriebe unterbringen zu dürfen. Das gibt dem Bauherrn Sicherheit: Er wenigstens wird mit Leerstand, der in Bremer Bürogebäuden so selten nicht ist, nichts zu tun haben. bes

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