Neuer Film von Kerstin Ahlrichs: Taxifahren für Aussteiger

In „Taxi“ geht es um verliebte, saufende, taxifahrende Außenseiter. Ein Film mit genialen Momenten, der aber oft sehr bemüht wirkt.

Eine Szene aus dem Film „Taxi“. Vier Menschen sitzen in einem Auto.

Er: „Was studierst du?“ Sie: „Taxifahren.“ Foto: dpa

Herzblut und Hybris liegen manchmal nah beieinander. Dies hier konnte einfach nicht klappen. Ein Taxifahrerfilm, der im Hamburg der achtziger Jahre spielt, mit beschränkten Mitteln auf die große Leinwand zu bringen – wie soll das gehen? Natürlich will man dann, nur zum Beispiel, Taxifahrten entlang der Reeperbahn sehen (so wie DeNiro in „Taxi Driver“ durch Manhattan fährt). Aber inzwischen ist auf der Reeperbahn kein Meter mehr so wie damals, und man kann das ja nun nicht mal eben so rekonstruieren. Überhaupt, alles hat sich seitdem verändert.

Was man dann sieht bei diesem Herzblutprojekt der Regisseurin Kerstin Ahlrichs und der Schriftstellerin Karen Duve, die nach ihrem gleichnamigen Roman das Drehbuch geschrieben hat, sind zwei, drei Straßenecken, die mit den Graffiti von damals bemalt wurden, ist eine Hauseinfahrt, die in einen vorgentrifizierten Zustand versetzt wurde, ist ein nachgebauter Taxistand, an dem sich die Taxifahrer immer treffen, ist die dunkle Höhle des Spätpunkladens „Dschungel“ in der Schanzenstraße und sind die alten, noch hörbar nagelnden Mercedes Diesel, in denen man damals Taxi fuhr. Alle Beteiligten haben sich erkennbar Mühe gegeben. Aber manchmal sieht man eben auch nur das. Dass sich Mühe gegeben wurde.

Und doch. Man sieht auch, warum Kerstin Ahlrichs und Karen Duve dachten, dass dieser Film unbedingt gedreht werden musste. Wer ihn anschaut, muss durch viele Seltsamkeiten des deutschen Filmförderungsfilms durch. Da gibt es Dialoge, in denen ein Telefon klingelt und dann der eine zum anderen sagt: Willst du nicht endlich das Telefon abheben (als ob ein fragender Blick nicht viel ausdrucksstärker wäre).

Der Schauspieler Stipe Erceg stapft in immerhin lustig schrecklichen Achtziger-Jahre-Klamotten fremd durch diesen Film. Robert Stadlober nutzt seine Auftritte als frauenhassender Pseudophilosoph zur Rollenselbstdenunziation. Armin Rohde fällt ins typische Armin-Rohde-Chargieren.

Kerstin Ahlrichs und Karen Duve haben von einem großen Film geträumt, der vom Taxifahren, von Hamburg, von den Achtzigern jenseits der Flashdance-Mythen und von einer eigenwilligen Frau erzählt

Den Schluss, in dem ein Totalschaden und ein Affe eine Rolle spielen, haben sie so gar nicht hinbekommen. Und der kaum lesbare Vorspann flimmert auch sehr speziell vor den Augen. Aber dann schafft es dieser Film doch immer wieder, dass man es beim Zuschauen hinkriegt, den Taxifahrerfilm, den man gerne gesehen hätte, auch tatsächlich zu sehen – oder sich wenigstens ein Stück weit zu erträumen.

Taxi Nummer Zwodoppelvier

Das liegt am Taxifahren. Dass dieses Gewerbe in den Achtzigern ein freiwilliges Exil, eine Aussteigernische für Langzeitstudenten, Möchtegernkünstler und ganz allgemein Menschen, die nicht wissen, wohin mit sich, darstellte, das transportiert dieser Film dann eben irgendwie doch. Man konnte auf Karriere scheißen und der Illusion nachhängen, sein Ding zu machen. Und es gibt den Schauspieler Özgür Karadeniz als Taxiunternehmer Mergolan, der die Windhundhaftigkeit und Würde dieser Figur gut trifft.

„Taxi“. Von Kerstin Ahlrichs. Mit Rosalie Thomass, Peter Dinklage u. a. Deutschland 2015, 97 Min.

Vor allem gibt es die Hauptfigur. Die Figur der schönen, beziehungsunfähigen Taxifahrerin Alexandra im Taxi mit der Nummer Zwodoppelvier auf der Suche nach sich selbst ist so toll, dass sie sich auch gegen die oft hippelige Schauspielerin Rosalie Thomass durchsetzt. Am Taxifahren findet sie gut, dass sie viel allein ist und die „Fahrgäste schnell auch wieder verschwinden“, sagt sie. In ihrem Willen, sich nicht auf Rollen festschreiben zu lassen, wirkt sie wie eine Art Laurie Penny avant la lettre, allerdings noch ohne das theoretische Backup des Pop-Postfeminismus.

Und mit Chuzpe und Glück haben es Kerstin Ahlrichs und Karen Duve tatsächlich hingekriegt, Peter Dinklage (“Game of Thrones“) als ihren kleinwüchsigen, gutküssenden Liebhaber zu engagieren. Das war ein Geniestreich. Dinklage ist oft schlecht synchronisiert, aber das macht nichts. Er und Rosalie Thomass haben Szenen, in denen tatsächlich etwas zwischen den Figuren passiert. In diesen Szenen gewinnt der Film Ernsthaftigkeit und Intensität.

Kerstin Ahlrichs und Karen Duve haben von einem großen Film geträumt, der vom Taxifahren, von Hamburg, von den Achtzigern jenseits der Flashdance-Mythen und von einer eigenwilligen Frau erzählt. Sie haben es geschafft, innerhalb der Bedingungen des deutschen Filmwesens diesen Traum durchzusetzen. Und dass das ein guter, wenngleich auch zu großer Traum ist, kann man diesem Film ansehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.