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Verzögerte Behandlung für Flüchtlinge

VERSORGUNG Zwei Wochen nach Ausbruch einer Hautkrankheit in einer Hamburger Notunterkunft sind noch immer nicht alle Bewohner behandelt worden. Das passende Medikament ist schwer zu beschaffen

Es ist im Grunde ganz einfach. Scabies, Kräze, lässt sich entweder mit Salbe behandeln oder mit einer einzigen Tablette Ivermectin. Aber der Ausbruch der Hautkrankheit in der Flüchtlings-Zeltunterkunft im Moorpark in Hamburg-Jenfeld ist auch nach zwei Wochen noch immer nicht verschwunden.

„Die Betroffenen selbst wurden sofort mit der entsprechenden Salbe behandelt“, sagt Su­sanne Schwendtke, Sprecherin von Fördern und Wohnen, dem Betreiber der Unterkunft. Damit die ansteckende und seltene Hautkrankheit jedoch komplett verschwindet, sollten alle 700 Bewohner neues Bettzeug bekommen und präventiv mit Ivermectin behandelt werden, einem Medikament, das gegen den innerlichen und äußerlichen Befall durch Parasiten eingesetzt wird.

Aber Ivermectin ist in Deutschland nicht erhältlich. Es kann nur im Einzelfall gegen Rezept im Ausland bestellt werden. „Eine Sammelbestellung verstößt schlicht gegen das Arzneimittelgesetz“, sagt Rico Schmidt, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde. Eine solche Bestellung aber wäre nötig gewesen, um alle Flüchtlinge in Jenfeld schnell zu versorgen. So wurde in den vergangenen zwei Wochen jedem Bewohner einzeln ein Rezept ausgestellt. Die Behandlung soll laut Schwendtke in den nächsten Tagen aber endlich anlaufen.

Die Zeltunterbringung in dem Park im Hamburger Osten ist umstritten. Einige Anwohner hatten den Aufbau der Unterkunft blockiert, fühlten sich nicht umfassend informiert und beklagten etwa den Verlust der Grünanlage vor ihrer Haustür. Der Bezirk Wandsbek musste sich fragen lassen, warum nicht die brach liegende Jenfelder Au direkt gegenüber für eine Unterkunft genutzt wird. Dort steht auch eine ungenutzte ehemalige Kaserne. Anwohner werfen der Stadt außerdem vor, sie denke nur daran, die Investoren eines geplanten Neugebiets, der Jenfelder Au, nicht zu verschrecken.

Der SPD-Abgeordnete Dirk Kienscherf verneint den Vorwurf zurück und verweist darauf, dass Wohnungen eben dringend benötigt werden – auch für Flüchtlinge. Die Jenfelder Au sei ein „wichtiges Stadtteilentwicklungsprojekt“. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass dort vielleicht doch eine Unterkunft entstehe. BOT

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