: Fast wie Elvis oder Brian Ferry
Mehr als 90 Filme hat der Bremer Komponist André Feldhaus vertont. Seit ihn Dokumentarfilmer Wilfried Huismann entdeckte, muss er nicht mehr von der Hand in den Mund leben
Ein autonomer Künstler ist ein Filmmusiker ganz gewiss nicht. Er komponiert und spielt ein, was der Regisseur oder Produzent bei ihm in Auftrag gibt, und wenn es nicht gefällt, muss er es halt noch mal versuchen. Manchmal wird er sogar gefeuert. Diese Erfahrung ist André Feldhaus bisher erspart geblieben.
Dass aber bei Dokumentationen über seine Musik oft noch viel getextet wird, weil Redakteure gerne alles überdeutlich machen wollen, daran hat sich Feldhaus inzwischen gewöhnen müssen. Und wenn der Regisseur Florian Baxmeyer gerne eine „urbane, aber zugleich organische“ Musik haben will, dann macht sich André Feldhaus einen Reim darauf und schreibt für den von Radio Bremen produzierten Tatort „Die Wiederkehr“ eine gleichsam moderne wie tiefe Musik, die zu seinen bisher besten gehört.
Er hatte allerdings auch Glück, weil dies eine der wenigen wirklich gelungenen Tatort-Produktionen aus Bremen war, und darin viel mit düsteren und elegischen Stimmungen gearbeitet wurde, er also mehr als die sonst übliche Spannungsmusik komponieren konnte.
Feldhaus hat auch fürs Kino gearbeitet. Vor ein paar Wochen hatte der Genre-Film „Morpheus“ von Frauke Lodders, für den er eine schöne Gruselmusik komponiert hat, immerhin auf dem Internationalen Filmfestival von Shanghai Premiere. Florian Eichinger war so zufrieden mit der Musik zu seinem Familiendrama „Nordstrand“, dass Feldhaus auch an seinem nächsten Film wieder mitarbeiten wird. Aber die Fernseharbeit ist bei Filmmusikern beliebt: Die viel gescholtenen Gema-Gebühren macht sie lukrativ.
Bei jeder Wiederholung – was bei Tatorten häufig geschieht – fließen Tantiemen. Von den gut 90 Filmmusiken, die Feldhaus seit 1999 geschrieben und eingespielt hat, waren mehr als die Hälfte Fernsehproduktionen.
Das Gefühl, nicht mehr wie die meisten Musiker ständig von der Hand in den Mund leben zu müssen, ereilte ihn erstmals, als der Dokumentarfilmer Wilfried Huismann ihn entdeckte und 2007 seine WDR-Produktion „Schnappschuss mit Che“ von ihm vertonen ließ. Huismann und Feldhaus sind inzwischen ein festes Team geworden. Feldhaus hat inzwischen für viele andere Dokumentationen gearbeitet. Sei es der Reisefilm „Kirchen, Kühe und Kalaschnikows“ von Gerd Ruge, ein Porträt von Andrzej Wajda oder „Norddeutschland von oben“.
Schon als 6-Jähriger wurde der 1975 geborene Feldhaus von seinen Eltern zum Klavierunterricht geschickt und seine Musiklehrerin trieb es ihm zum Glück nicht aus. Mit seinem „Regenlied“ hatte er als 8-Jähriger seinen ersten Auftritt. In der Pubertät wurde er zum Punk, spielte so schlecht wie nötig Gitarre, gründete mit Schulfreunden die Band „Mother‘s Ruin“. Er begann zu komponieren und hatte damit im Lokalen Erfolg. Er studierte dann aber in Bochum und Bremen Literatur- und Filmwissenschaft und wurde Teil der kleinen Filmszene um das Bremer Filmbüro.
Hier begann er die Kurzfilme von Freunden zu vertonen, bekam nach einiger Zeit erste Aufträge von einer Bremer Produktionsfirma, für die er die Musik für Filmchroniken von Bremerhaven und Helgoland komponierte, die damals noch als VHS-Kassetten verkauft wurden. Nebenbei machte er auch Theatermusik für die Bremer Shakespeare Company. So für das Stück „Die Brüder Grimm“, das auch international Erfolg hatte, sodass Feldhaus darüber stolz sein konnte, „dass meine Musik in dem Stück in Bulgarien gespielt wurde“.
Mindestens sechs Filme vertont André Feldhaus jährlich, ein Rhythmus, der ihn alle zwei Monate in eine andere Welt eintauchen lässt. In seinem Studio in einem alleinstehenden Haus im Industriehafen kann er Musik machen, ohne Nachbarn zu stören. Hier spielt er den größten Teil seiner Scores auf seinen zahlreichen Tasten- und Saiteninstrumenten sowie einem Schlagzeug ein. Für aufwendigere Instrumentierungen wie Streicher oder eine Jazzband organisiert er schon mal Aufnahmen im Bremer Sendesaal. Doch der zeitaufwendigste und komplizierteste Teil seiner Arbeit besteht darin, seine Musik auf die 24stel Sekunde genau zum Film zu schneiden.
Bei den Kompositionen ist nicht immer Originalität gewünscht. Oft verlangt der Regisseur etwas ähnliches wie ein bekanntes Stück. Eines, das er sich im Original nicht leisten kann, und so hat Feldhaus für verschiedene Filme schon Songs im Stil von Elvis oder Brian Ferry arrangiert und, als beachtlich guter Imitator, auch selber eingesungen. Jeder Film hat seine eigene Stimmung, Feldhaus muss diese nachempfinden und dann mit seinen Tönen unterstützen. Und da eine gute Filmmusik eher unterschwellig wirken und nicht ins Ohr springen soll, nimmt man oft gar nicht wahr, wie gut André Feldhaus gearbeitet hat. Dabei hat er bis heute um die 500 Songs für die Schublade geschrieben.
In Bremen lebt und arbeitet Feldhaus gerne. Als einziger professioneller Filmmusiker hat er hier einen Standortvorteil. Eine Bedingung dafür, dass ein Film von der Förderanstalt eines Landes mitfinanziert wird, liegt darin, das Geld möglichst im ortsansässigen Gewerk auszugeben.
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