Macht den Zwinger auf für Swinger!

Stadtentwicklung „Schnute“, die letzte Stadtbärin, ist todgeweiht, eine NachfolgerIn gibt es nicht. Aber was soll aus dem Bärenzwinger werden? Bei Tempelhof und Tegel hat der Senat die Nachnutzungsdebatten verpennt – deshalb liefern wir schon mal ein paar Ideen

Nur noch ein Schatten ihrer selbst: Stadtbärin Schnute im Frühjahr 2015

VON Anna Klöpper, Claudius Prößer
und Bert Schulz

1. Denkt mal an die Tiere

Mit dem Tierschutz ist es eine knifflige Sache. Wenn man die 34-jährige Bärin Schnute heute betrachtet, treibt es einem zwar Tränen des Mitleids in die Augen. Andererseits: In freier Wildbahn wäre sie kaum so alt geworden. Wie auch immer, die Zwingerhaltung war nie angemessen und wird es auch nie sein. Ein Mahnmal für geknechtete Tiere bietet sich also an.

Es wäre auch ein Mahnmal gegen politische Bräsigkeit. Seit Jahren gab es Proteste gegen den Zwinger, das „Berliner Bärenbündnis“ forderte die Verlegung von Schnute und ihrer 2013 gestorbenen Tochter Maxi in einen Bärenpark. Das Be­zirks­amt erwog hin und her, ließ erst verlauten, der Transport sei zu viel Stress für die Tiere. Als Schnute verwaist war, konnte es sich mit der Idee dann doch anfreunden, aber die Winterruhe, die wolle man noch abwarten. Am Ende verwehrte die Bezirksverordnetenversammlung mit den Stimmen von SPD und CDU der Altbärin einen Tod in der Waldeseinsamkeit. Echt traurig.

Für die Gestaltung sollte ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben werden. Stelen als Element sind ausgeschlossen.

2. Holt die geilen Spiele

Zwinger, Zwinger … schon aus dem Wort müsste sich doch Kapital schlagen lassen. Nein, keine Gemäldegalerie wie in Dresden. Zwinger, Swinger … na klar: Berlin ist bärig gut ­aufgestellt in Sachen S/M, Fetisch und Libertinage. Wäre es da nicht angesagt, dem Clubsterben in Mitte die Zähne zu zeigen?

Wir tippen mal: Interessierte Betreiber würden bald Schlange stehen, allen voran der KitKatClub, der zurzeit prakti­scherweise nur einen Bärensprung vom Köllnischen Park ­residiert, nämlich im ehemaligen Sage-Club über dem U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Da wäre der Zwinger doch eine hübsche kleine Außenstelle. „Spielzeug“ und folterkellermäßiges Ambiente sind bereits vorhanden, und was den Lärm angeht – die Nachbarn von der Senatsverwaltung schlafen hier höchstens tagsüber.

Den Anstoß zum Bau eines Bärenzwingers gab ein Leser der B.Z. am Mittag – nach der 700-Jahr-Feier 1937 beklagte er das Fehlen eines lebenden Wappentiers. Der damalige Oberbürgermeister Julius Lippert, ein Nazi-Funktionär, fand die Idee so gut, dass er sie gegen anfängliche Widerstände hochrangiger Parteigenossen durchsetzte: Propagandaminister Joseph Goebbels soll das Projekt als nachrangig abgelehnt haben.

Im Herbst 1938 begannen die Arbeiten mit dem Abbruch eines Straßenreinigungsdepots und einer Bedürfnisanstalt. Der heute weitgehend original erhaltene Bau wurde am 17. August 1939 offiziell eingeweiht. Als erste Bewohner teilten sich vier Braunbären das Gehege: Zwei waren ein Geschenk der Stadt Bern, zwei weitere steuerte Berlin bei.

Bis zum heutigen Tag wohnten insgesamt 55 Braunbären in dem Zwinger, 47 davon wurden dort auch geboren. (taz)

3. Schwamm drüber!

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob so ein Relikt aus dunklen deutschen Zeiten nicht zur mahnenden Erinnerung erhalten bleiben sollte. Aber im Falle des Zwingers handelt es sich a) nicht um ein ausgesprochenes Nazi-Prestigeobjekt (s. Kasten) und b) zwar um Braunbären als Bewohner, doch dürfte es schwierig sein, deren politische Gesinnung eindeutig zu definieren. Deswegen wäre eine schnelle Entscheidung möglich: abreißen, plattmachen, auffüllen und die Fläche dem angrenzenden kleinen Park zuschlagen.

4. Baut den Geisel-Turm

Es ist also gar nicht unwahrscheinlich, dass die Nachnutzungsdebatte vorbei ist, bevor sie begonnen hat. Denn der Zwinger liegt nur hundert Meter entfernt vom Dienstsitz des Bausenators Andreas Geisel (SPD). Wahrscheinlich steht der Senator jeden Tag an der Brüstung und lässt sich von der altersweisen Stadtbärin Ideen für die Zukunft Berlins einflüstern.

Etwa diese: Geisel könnte den Planungen für das Zwinger-Areal außerordentliche stadtpolitische Bedeutung zugestehen und sie an sich ziehen. Bekanntlich reißt er sich jeden Flecken unter den Nagel, auf dem Wohnungen gebaut werden können, erst recht, wenn sie zentral liegen.

Auf dem kleinen Grundstück lassen sich aber nur dann viele Wohnungen errichten, wenn sie klein sind und in die Höhe gebaut wird. Ein Sozialwohnhochhaus muss also her. Das würde den Wohnungsmarkt im Bezirk Mitte entspannen und – so es denn hübsch aussieht – den Stadtentwicklungssenator preisen. Unter dem Namen „GeiselTower“ würde es sogar indirekt an das tragische Schicksal der Bären erinnern, die letztlich ja auch eine Art Geiseln der Stadt waren.

Für viele Familien immer noch ein Sonntagsklassiker, der Bärenzwinger im Köllnischen Park. Aber nicht mehr lange Fotos: imago

5. Ihr Kinderlein, kommet

Ein Paradies für Mittes Helikoptereltern: Kind rein, sicher sein. So oder ähnlich könnte er lauten, der Slogan für die Nachnutzung des Bärenzwingers als Kita.

Jederzeit 180-Grad-Rundum­einsicht auf Lotta und Gustav, Unbefugten wird der Zutritt durch ein tricky Bällebad erschwert. Den Wassergraben mit bunten Plastikkugeln zu füllen wäre obendrein nicht nur was fürs Auge, sondern auch eine unschlagbar kostengünstige Lösung.

Billig wäre ohnehin ganz, ganz wichtig: Bekanntlich ist Berlin in der unglücklichen Lage, dass Kitaplätze genauso fehlen wie das Geld dafür. Die „Kita Bärenzwinger“ könnte dagegen mit minimalen Umbauten direkt an Mittes überlastetes Kitanetz gehen. Einen Kletterfelsen gibt es schon, nur die Innenräume müsste man wohl etwas netter gestalten. Engagierte Eltern helfen da aber bestimmt gerne mit.

Ihr Fell ist stumpf, ihr Gang langsam und unsicher: Schnute, die einsame letzte Stadtbärin, ist mit 34 Jahren schon deutlich älter, als Exemplare ihrer Art selbst in Gefangenschaft werden. Man rechne jederzeit mit ihrem Tod, erfahren Zwinger-Besucher, wenn sie die „Bärenmutter“, also die vom Grünflächenamt des Bezirks Mitte bestellte Betreuerin, treffen.

So einsam war Schnute nicht immer: Lange lebte sie zusammen mit Tilo und ihrer Tochter Maxi im Gehege. Tilo hatte Krebs und wurde 2010 eingeschläfert, Maxi starb 2013.

Seit Jahren kritisieren Tierschützer, dass das Gehege nicht artgerecht sei. Auch deshalb stirbt mit Schnute die Art „Stadtbär“ endgültig aus. (taz)

6. Befriedigt eure Bürger

Was braucht Berlin im wahrsten Sinne des Wortes dringend? Klos. Gerade erst hat die Bauverwaltung entschieden, dass größere Supermärkte Toiletten für die alternde Kundschaft bereitstellen müssen – aber nur bei Neubauten. Auch sonst sind öffentliche Klos nicht allzu dicht gesät. Die meisten werden zudem von einem privaten Anbieter kostenpflichtig betrieben, ältere Nutzer fremdeln mit deren vollautomatischem Hightechdesign.

Was liegt also näher, als die einstige Stätte der Bedrängnis zu einem freundlichen Ort der Erleichterung zu machen? Anschlüsse für Sanitäranlagen sind schon vorhanden, die baulichen Anpassungen dürften sich preislich im Rahmen halten. Unser Vorschlag: Links Mädels, rechts Jungs, in der Mitte alle anderen. Oder umgekehrt.

Nicht überzeugt? Ein Blick in die Geschichte (s. Kasten) lehrt: Vor dem Zwinger stand hier an derselben Stelle – ein Klo.