: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Margarine
PROZESS Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wird wohl auch in zweiter Instanz in der Auseinandersetzung um einen cholesterinsenkenden Brotaufstrich gegen Unilever verlieren. Das zumindest ließ der Richter am Dienstag anklingen
Aus Hamburg Ilka Kreutzträger
Der Nahrungsmittelkonzern Unilever darf wohl weiter behaupten, es gebe keinen Hinweis auf mögliche Gesundheitsrisiken seiner cholesterinsenkenden Margarine Becel pro.activ. Denn die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wird ziemlich sicher auch in zweiter Instanz mit ihrer Klage gegen Unilever erfolglos bleiben. Daran ließ der Pressesenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) in der Verhandlung am Dienstag kaum Zweifel aufkommen. Der Vorsitzende Richter Claus Meyer sagte, er halte die Entscheidung der Vorinstanz aus dem Dezember 2012 für richtig und werde ihr wohl folgen wollen. Das Urteil wird aber erst am 1. September verkündet.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch wirft Unilever vor, Nebenwirkungen ihrer mit Pflanzensterinen angereicherten Margarine zu verschleiern. Es geht im Kern also um sogenanntes Functional Food, um Lebensmittel, die nicht nur satt und zufrieden machen, sondern noch eine zusätzliche, eine gesundheitsfördernde Wirkung erzielen sollen. In diesem Fall eben: Cholesterinspiegel senken.
Gestritten wird vor Gericht aber jetzt bloß um einen Satz aus einer Unilever-Pressemitteilung. Darin zitiert der britisch-niederländische Konzern einen Professor mit den Worten, es gebe „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen von Becel pro.activ. Das Hamburger Landgericht sah darin nur eine subjektive Meinungsäußerung des Professors und keine objektive Tatsachenbehauptung.
Damit will Foodwatch sich nicht zufrieden geben. „Wenn ein Unternehmen sich auf einen Professor beruft, der wissenschaftliche Autorität ausstrahlt, und behauptet, ein Produkt ist sicher, dann muss ich als Verbraucher wissen, ob diese Aussage wahr oder falsch ist“, sagte Oliver Huizinga von Foodwatch vor der Verhandlung. Es gebe Studien, die Nebenwirkungen von cholesterinsenkenden Produkten belegten. Die zugesetzten Pflanzensterine, „überschwemmen gewissermaßen den Darm und verhindern so die Aufnahme von tierischem Cholesterin“, erklärte Huizinga. So könne ein erhöhter Cholesterinspiegel tatsächlich gesenkt werden. Diese Wirkung bestreite Foodwatch nicht.
„Es gibt aber Hinweise darauf, dass sich die Pflanzensterine ebenfalls in den Gefäßen absetzen und so den Cholesterinspiegel von Menschen mit normalen Blutwerten erhöhen können“, sagte Huizinga. Er bezieht sich dabei unter anderem auf das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Studien auswertete und bereits 2008 Menschen mit normalen Cholesterinwerten davon abriet, Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen zu konsumieren. Unilever wirft Foodwatch im Gegenzug vor, wissenschaftliche Fakten zu ignorieren.
Richter Claus Meyer
Auch im ersten Verfahren 2012 war es bloß um den strittigen Satz gegangen und nicht darum, ob die betroffene Margarine wirklich Nebenwirkungen habe. Es wurde festgestellt, dass besagter Satz eine Meinungsäußerung des zitierten Professors sei, keine Tatsachenbehauptung. Und eine Meinung dürfe ein Unternehmen zitieren. Dieser Einschätzung wird wohl auch das OLG folgen.
Damit war Merlin Koene, der Pressesprecher von Unilever, nach der jetzigen Verhandlung zufrieden. „Wir gehen davon aus, das Oberlandesgericht dem Landesgericht folgt“, sagte Koene. Für ihn stehe nun auch fest, dass Becel pro.activ „ein als sicher bewertetes Lebensmittel ist, das aktiv den Cholesterinspiegel senkt und so seinen Beitrag dazu leisten kann, einen Risikofaktor für Herz-Kreis-Erkrankungen zu senken“. Der Pressesprecher zitierte noch schnell ein paar Zahlen vom Robert-Koch-Institut: So seien im vergangenen Jahr in Deutschland 345.000 Menschen an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben.
Den aus Sicht von Oliver Huizinga wohl wichtigsten Satz aus der Verhandlung ließ Koene allerdings unerwähnt. Wörtlich sagte der Richter: „Ließe Unilever den strittigen Satz auf ein Werbeplakat drucken, wäre das eine gefährliche Sache.“ In der Verhandlung jedoch geht es nur um eine Pressemitteilung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen