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Von wegen kalter Kaffee

Koffein-Kick Der neue heiße Scheiß ist kaltgebrüht: Cold Brew Coffee erfrischt, macht wach und schont den Magen. Das perfekte Sommergetränk nicht nur für Hipster

Bei der Kaltextraktion werden ganz andere Bestandteile herausgelöst, etwa viel weniger Bitterstoffe Foto: Waechter /Caro

von Ulrike Schattenmann

„Ein voller Körper“ und „Andeutungen von Schokolade und Karamell“ – so schwärmte bereits die New York Times von einem Getränk, das zu warmen Sommertagen passt wie das Eis zur Waffel: Cold Brew Coffee. Wer jetzt an Eiskaffee mit Sprühsahne denkt, liegt falsch. Cold Brew Coffee ist kein im Gefrierschrank runtergekühlter Kaffee. Er wird, und das ist das Besondere, bereits mit kaltem Wasser zubereitet.

„Bei der Kaltextraktion werden ganz andere Bestandteile herausgelöst, etwa viel weniger Bitterstoffe als bei der Zubereitung mit heißem Wasser. Außerdem nimmt man viel mehr Kaffee pro Liter Wasser. Das macht das Aroma so besonders“, erklärt Björn Köpke, Barista und Kaffeehändler, während er einem Gast die perfekte Latte-Art Blume aus Milchschaum auf den Espresso zaubert.

Zum Selbermachen

250 Gramm Filterkaffee, grob gemahlen; 1 Liter Wasser, möglichst gefiltert

Kaffee und Wasser vorsichtig in einer French-Press-Kanne sechs bis zwölf Stunden lang bei Zimmertemperatur durchziehen lassen. Nach der Ruhezeit abgießen und noch einmal durch einen herkömmlichen Aufgussfilter laufen lassen. Das Kaffeekonzentrat hält zwei Wochen im Kühlschrank. (us)

Köpke steht hinter dem Tresen seiner Kaffeebar in Kreuzberg, die er zusammen mit einer Barista-Kollegin führt, und spricht so leidenschaftlich über Kaffee wie andere Leute über Wein. Über fruchtige Geschmacksnoten, seidiges Mundgefühl und darüber, wie das Terroir den individuellen Charakter von Kaffeesorten prägt. Vermarktet und zubereitet werden hier nur sortenreine Bohnen aus einer bestimmten Region, keine supermarktüblichen Kaffeemischungen.

Chapter One gehört zur Generation Third Wave. So nennt man Coffee Shops, die auf Qualität und Herkunft der Bohnen achten, möglichst direkten Kontakt zum Produzenten haben, helle Röstungen bevorzugen und alternative Aufbrüharten zelebrieren – so wie den Cold Brew Coffee. Er wird in einer Art kleinem Plastikeimer zubereitet, an dessen Grund sich ein verschließbarer Filter befindet. Das Ganze ist ein US-amerikanisches Patent. „Ich vermische grob gemahlenen Kaffee vorsichtig mit gefiltertem Wasser und lasse ihn dann sechs Stunden ziehen“, erklärt Köpke das Prinzip der Herstellung.

Das Ergebnis ist ein dickflüssiges Getränk, das von der Konsistenz an einen Likör erinnert. Serviert wird er wie ein Drink – pur auf Eis im Tumbler, ohne Zucker, ohne Milch. Sehr weich, fast ölig, erstaunlich fruchtig und mild schmeckt der kalt gebraute Kaffee. Den Koffeinkick spürt man fast körperlich.

Eiskalt serviert

Chapter One, Mittenwalder Straße 30, Kreuzberg

The Barn, Auguststraße 58, Mitte und The Barn Roastery, Schönhauser Allee 8, Prenzlauer Berg

Silo Coffee, Gabriel-Marx Straße 4, Friedrichshain

Tres cabezas, Boxhagener ­Straße 74, Friedrichshain

Bonanza Coffee Shop, ­Oderberger Straße 35, ­Prenzlauer Berg

Double Eye, Akazienstraße 22, Schöneberg (nur Cold Drip)

In Flaschen abgefüllt zum Mitnehmen gibt es Cold Brew Coffee in der Röststätte, Acker-str. 173, Mitte und bei Seidel und Nothaft, Schönhauser Allee 43 a, Prenzlauer Berg. (us)

Nicht von ungefähr steht der Kaltgebraute inzwischen auf den Getränkemenüs vieler Coffeeshops. Die Renaissance von hochwertigem Filterkaffee hat auch den Cold Brew nach Berlin gebracht. Im The Barn serviert man ihn sogar in zwei Varianten. Als über Nacht im Eimerchen gezogenen Cold Brew, der mit sehr viel Eis serviert schon fast als Durstlöscher durchgeht – und als sogenannten Cold Drip Coffee.

Die minimalistisch eingerichtete Kaffeebar mit eigener Rösterei gilt als Pionier der Third-Wave-Bewegung. Im Hintergrund stapeln sich Kaffeesäcke vor einer Waage. The Barn liefert an Kaffeeliebhaber auf der ganzen Welt. An der Theke gießt die Barfrau gerade vorsichtig heißes Wasser aus einer Metallkanne in einen Porzellanfilter, daneben steht eine Apparatur wie aus dem Chemielabor. Zwei lang gezogene Glaszylinder hängen untereinander in einer Holzkonstruktion, aus dem oberen tropft sehr langsam Wasser durch gemahlenen Kaffee. Das sei eine Cold-Drip-Infusion, erklärt die freundliche Barista auf Englisch, „sehr intensiv und komplex im Geschmack“.

Ein dickflüssiges Getränk, das von der Konsistenz an Likör erinnert, serviert auf Eis im Tumbler

Vier bis fünf Stunden tropft das Wasser über den gemahlenen Kaffee. Angeblich haben sich diese Art der Kaffeezubereitung die niederländischen Kolonialherren ausgedacht, weswegen man sie auch Dutch Coffee nennt. Bis heute ist sie in Asien weit verbreitet. Serviert wird auf Eis und mit einem Infokärtchen. Es verrät, dass der Kaffee von einer Kooperative aus Äthiopien stammt und Pfirsich und Vanillenoten hat.

Beim Bezahlen gibt die Barfrau noch einen Tipp: Auch ohne ausgefallenen Geräte lässt sich Cold Brew ganz einfach zu Hause zubereiten. Dazu braucht man keine ausgefallenen Geräte, eine French Press – also eine Stempeldrückmaschine – reicht aus (im Kasten oben beschrieben). Wer mag, lässt Kaffeemehl und Wasser 24 Stunden lang ziehen und destilliert eine Art Konzentrat, das sich mit heißem Wasser rückverdünnen lässt. Ein angenehmer Nebeneffekt dieser Vorgehensweise: Der so gewonnene Kaffee ist extrem säurearm und daher auch für Menschen mit empfindlichem Magen gut geeignet.

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