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Marzahner genießen weniger Vertrauen als Kreuzberger

Kiez II Der Umgang der Hauptstädter untereinander ist von Vorurteilen über den Wohnort des jeweils anderen bestimmt, belegt eine Studie der FU

Sag mir, wo du wohnst, und ich weiß, ob ich dir vertrauen kann“ – so etwa könnte das Ergebnis einer Untersuchung unter Berlinern zusammengefasst werden, die die Freie Universität Berlin (FU) am Montag veröffentlichte. Danach wird der Umgang der Hauptstädter untereinander bestimmt von Vorurteilen über den Wohnort des jeweils anderen. Die Studie zeige, dass negative Stereotype die Entstehung von Vertrauen und Kooperation verhindern können, erklärte Professor Christian von Scheve vom Institut für Soziologie der FU.

So wurde Teilnehmern eines Testspiels aus negativ stereotypisierten Stadtteilen wie Marzahn oder Wedding deutlich weniger Vertrauen entgegengebracht als etwa Mitspielern aus Charlottenburg, Kreuzberg und Prenzlauer Berg, „Stadtteilen mit eher positiven Stereotypen“. Für die Studie erhielten die Teilnehmer des Vertrauensspiels lediglich Informationen über den Wohnbezirk ihrer Mitspieler, aber keine weiteren Angaben.

Untersucht wurde die Wahrnehmung der Stadtteile Charlottenburg, Kreuzberg, Wedding, Prenzlauer Berg und Marzahn. Diese stünden exemplarisch für sehr unterschiedliche Stereotype und wiesen zudem unterschiedliche soziale Profile auf, erklärte Scheve.

„Bemerkenswert dabei ist, dass solche Stereotype nicht unbedingt die tatsächlichen Lebensverhältnisse eines Stadtteils widerspiegeln, aber trotzdem ein wichtiger Bezugspunkt des Verhaltens sind“, betonte der Wissenschaftler. So wurde Mitspielern aus Marzahn entsprechend des negativen Stereotyps eines „Plattenbau-Ghettos“ vergleichsweise wenig Vertrauen entgegengebracht, obwohl die soziodemografischen Merkmale des Bezirks relativ positiv seien. Kreuzberger hingegen wurden als vertrauenswürdig eingeschätzt, obgleich Kreuzberg ein deutlich niedrigeres durchschnittliches Nettoeinkommen und eine höhere Arbeitslosenzahl aufweist. Neben diesen Kennzahlen bezogen die Wissenschaftler auch die Altersstruktur, den Ausländeranteil, die Kriminalitätsrate sowie einen Sozialindex in ihre Untersuchung mit ein.

In dem experimentellen Vertrauensspiel konnten die Testpersonen durch höhere Geldeinsätze in ein gemeinsames Projekt sowohl ihren eigenen als auch den Gewinn der anonymen Mitspieler steigern. Die Entscheidung über den Geldeinsatz setzte jedoch Vertrauen in die Kooperationsbereitschaft des Mitspielers voraus, sodass an der Höhe des Geldeinsatzes das Ausmaß des Vertrauens abgelesen werden konnte. (epd)

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