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In Algier tagt der Krisenstab

ALGERIEN Ein Konflikt um Land entlädt sich in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Mozabiten in der Stadt Ghardaia und forderte zahlreiche Tore

Angehörige der Minderheit der Mozabiten in Ghardaia demonstrieren gegen Gewalt Foto: dpa

von Reiner Wandler

MADRID taz | Das Land der Mozabiten ist zum Schauplatz eines gewaltsamen Konflikts geworden. 22 Menschen verloren nach Angaben der algerischen Behörden bei schweren Auseinandersetzungen zwischen der Minderheit der Mozabiten und der arabischen Mehrheit in der Wüstenstadt Ghardaia und umliegenden Gemeinden in der Nacht zum Mittwoch ihr Leben. Was mit Steinen und Molotowcocktails begann, artete in Schießereien aus. Die Polizei bekam die aufgebrachte Menschen viel zu spät unter Kontrolle. Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika rief einen Krisenstab zusammen.

„Das sind keine Zusammenstöße mehr, das ist Terrorismus“, beschwert sich ein Führer der Mozabiten gegenüber internationalen Presseagenturen. Arabische Banden hätten, so seine Angaben, die Zugänge zu den Vierteln der Mozabiten mit Waffengewalt besetzt. Vor den Schießereien wurden Häuser, Autos und Palmenhaine in Brand gesteckt. Es gärte bereits seit Tagen. Immer wieder kam es zu kleineren Auseinandersetzungen, bis die Lage völlig außer Kontrolle geriet.

Im Tal von Mzab, 600 Kilometer südlich der Hauptstadt Algier, das es mit seiner traditionellen Lehmbauarchitektur auf die Unesco-Liste des Weltkultur­erbes gebracht hat, ist die Spannung seit Jahren zu spüren. Die Mozabiten, eine Bevölkerungsgruppe mit eigener Kultur, Sprache und eigenem Verständnis des Islam sind durch die Ansiedlung von Arabern in die Minderheit geraten.

Es geht dabei um Landbesitz, Zugang zum Wasser und um – so der Vorwurf der Mozabiten an die Regierung in Algier – die Benachteiligung der ursprünglichen Bewohner gegenüber den Neuansiedlern. So sollen die Behörden staatlichen Wohnraum sowie Arbeitsplätze gezielt an Araber vergeben. 2013 kam es zum ersten großen Ausbruch von Gewalt. Dabei wurde ein heiliger Schrein der Mozabiten zerstört.

Für die Mozabiten sind die algerischen Soldaten und Polizisten Besatzer

Seither ist die Region im permanenten Ausnahmezustand. Algier hat mittlerweile 8.000 Polizeibeamte im Mzab sta­tio­niert. Sie sollen – so die Vorwürfe seitens der Mozabiten – nur dann eingreifen, wenn es darum geht, die Araber zu verteidigen.

Bei der arabischen Bevölkerung handelt es sich um ehemalige Beduinenstämme, die nach der Unabhängigkeit Algeriens 1962 gezwungen wurden, sesshaft zu werden. Die Behörden siedelten sie in den einzigen größeren Gemeinden der Region – den fünf Städten im Mzab – an. Die dortige Bevölkerung lebt traditionell vom Handel. Die Familien leben im Tal, während die Männer überall in Nordafrika ihren Geschäften nachgehen.

Algerien erkennt Minderheiten nur bedingt an. Auch in anderen Gegenden, wie der Berberregion Kabylei im Norden des Landes, kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bei rund einem Drittel der algerischen Bevölkerung handelt es sich um nichtarabische Minderheiten. Präsident Bouteflika unterstellte die Region Mzab mittlerweile einen Militärkommandeur. Die Mozabiten dürfte dies kaum beruhigen. Für sie sind die meist arabischstämmigen Soldaten und Polizisten Besatzer.

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