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Unabhängige Beratung nicht mehr unabhängig?

Verbraucher Kassennahes Call-Center bewirbt sich um Patientenberatung. Ärzte laufen Sturm

„Ein willfähriger Dienstleister für die Krankenkassen“

Stellungnahme der ÄrzteVerbände

BERLIN taz | Wenn Krankenversicherte sich beschweren möchten über ihre Ärzte oder auch über ihre Kasse –- etwa, weil diese ihnen eine Therapie nicht bezahlen will –, dann haben sie hierfür einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Beratung: Die Unabhängige Patientenberatung (UPD), eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Berlin, steht den Versicherten seit 2006 mit rund 80 Beschäftigten telefonisch und in 20 Servicestellen vor Ort kostenfrei zur Verfügung.

Träger sind der Sozialverband VdK, der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Verbund unabhängige Patientenberatung. Finanziert wird die UPD mit jährlich 5 Millionen Euro aus Beiträgen der gesetzlich Krankenversicherten. Ab 2016 soll diese Summe auf 9 Millionen Euro steigen.

Doch nun gibt es Sorge um die Unabhängigkeit und die Neutralität der Beratung: Die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundespsychotherapeutenkammer und auch die Zahnärzte warnen davor, dass die Beratung der gemeinnützigen UPD entzogen und künftig dem privatwirtschaftlichen, kassennahen Call-Center Sanvartis mit Sitz in Duisburg überantwortet werden könnte. „Hier soll eine etablierte, mitunter unbequeme Patientenberatung zu einem willfährigen Dienstleister auf der Lohnliste der Krankenkassen umfunk­tioniert werden“, befürchten die Medizinfunktionäre.

Ein Sprecher des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung sagte der taz am Montag, „im Laufe dieser Woche“ werde der GKV-Verband zusammen mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), über den künftigen Träger ab 2016 entschieden. Grund sei eine europaweite Ausschreibung der Patientenberatung, die nach dem Gesetz alle fünf Jahre stattfinden müsse. Bisher nehmen rund 80.000 Versicherte den Beratungsservice jährlich in Anspruch.

Tatsächlich hat das Unternehmen Sanvartis, das sich selbst als „Partner für medizinische Kommunikation“ bezeichnet, in der Vergangenheit für mehrere Krankenkassen gearbeitet. Sollte Sanvartis nun den Zuschlag erhalten, so befürchtet auch die Opposition im Bundestag, dann müsste das Unternehmen gleichzeitig Patientenbeschwerden und Kassenaufträge annehmen. Die „sachgerechte Information von Patienten“ drohe damit auf der Strecke zu bleiben, schimpft etwa die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Maria Klein-Schmeink.

So begründet diese Zweifel sein mögen: Richtig ist, dass auch Vertreter der UPD nicht frei von Interessenkonflikten sind. Manche von ihnen sind zugleich tätig in Arbeitsausschüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses –also des mächtigsten Gremiums innerhalb der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, das wiederum über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen entscheidet. HEIKE HAARHOFF

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