Machtkampf bei der AfD: Showdown in Essen
Demütigungen und Ungeschick: Bernd Lucke verliert auf dem AfD-Parteitag deutlich. Frauke Petry präsentiert sich als Zukunft der Partei.
Es war nicht knapp, wie vorher viele vermutet haben. Die AfD hat Frauke Petry, die den rechten Flügel der Partei hinter sich versammelt hat, mit 60 Prozent zu ihrer neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Lucke hat gerade mal 38 Prozent der Stimmen bekommen. Das ist eindeutig. Luckes Zeit ist vorbei.
Die Atmosphäre in der Halle, in der sich schließlich 3.500 AfD-Mitglieder zur Entscheidung im Machtkampf versammelten, war von Anfang an aufgeheizt – nicht nur im klimatischen Sinn. Viele haben sich Aufkleber auf die schon am Morgen verschwitzten Kurzarmhemden, T-Shirts und Sommerkleider geklebt. „Weckruf nein Danke“ steht darauf. Den Weckruf hatte Lucke vor wenigen Wochen mit einigen Gleichgesinnten gegründet, um die AfD vor einem Rechtsruck zu bewahren.
Implizit hatte der neoliberal-konservative Wirtschaftsprofessor, der im Europaparlament sitzt, damit gedroht, die Partei zu verlassen und eine neue zu gründen, wenn der Parteitag nicht in seinem Sinne entscheide. Nicht nur Kritiker warfen ihm Spaltung vor.
Lauter gebrüllt
Schon als Lucke zum ersten Mal ans Redepult tritt, schallen Buh-Rufe durch die Grugahalle. Einige stehen auf und klatschen. Es ist noch nicht einmal elf Uhr und schon ist klar: Hier wird mit allen Mitteln gekämpft. Da werden Kurznachrichten mit Verhaltensanweisungen ans eigene Lager verschickt und Listen herumgereicht, wer gewählt gehört – vom Tagungspräsidium bis zum Schiedsgericht. Ob wirklich deutlich mehr Petry-Anhänger gekommen sind oder ob sie sich nur strategisch gut verteilt haben und lauter brüllen, weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Anfangs versucht Lucke das, was er gar nicht gut kann: Er streckt die Hand aus. Der Weckruf sei kein Zeichen der Ausgrenzung, sondern eine Einladung zum Gespräch gewesen, sagt er. „Weckruf raus“, schallt es durch die Halle, manche halten rote Karten hoch. Einen seiner Gegner spricht Lucke direkt an: Björn Höcke, den Thüringischen Landeschef, der ganz rechtsaußen in der AfD steht und nicht alle NPD-Mitglieder für rechtsextrem hält. Höcke habe in der Auseinandersetzung immer mit offenem Visier gekämpft, offen und fair, sagt Lucke. Dafür zolle er Respekt. Aber auch der Subtext ist klar: Andere wie Petry kämpfen hinterhältig und intrigant.
Und dann dankt Lucke jenen Teilen des Bundesvorstands besonders, die ihm nahe stehen. Ein typischer Lucke-Fehler. Integrieren kann er nicht. Petry sitzt auf dem Podium und grinst. Sie bedanke sich „ausdrücklich bei allen, egal, ob wir einer Meinung waren oder nicht“, sagt sie kurze Zeit später, als sie am Redepult steht – und Applaus und Buhrufe kassiert hat. Die sächsische Fraktionschefin, die bislang die AfD mit Lucke und dem Publizisten Konrad Adam gemeinsam führt, fordert einen „respektvollen Umgang“ nach Monaten des mitunter verletzenden Streits.
Pro-Pegida und Anti-Euro
Einen Rechtsruck in der Partei könne sie nicht erkennen. Die öffentliche Debatte aber habe oft „totalitäre Züge“, sagt Petry. Meinungen würden schnell als „ausländerfeindlich und rechts“ diffamiert. Damit gibt sie ihren Spin für den Tag vor: Die AfD müsse mutig bleiben und inhaltlich stehen, auch wenn sie als rechts diffamiert werde. Zum Abschluss ihrer Begrüßung sagt sie: „Heute geht es gerade nicht ums ich, sondern ums wir.“ Dafür gibt es kräftigen Applaus. Buhrufe hört man keine mehr.
Inhaltlich heizt Marcus Pretzell, NRW-Landeschef und enger Vertrauter Petrys, jetzt die Halle an. Die AfD sei nicht Anti-Euro oder Pegida-Partei. „Wir sind beides“ ruft er und dass die AfD nicht beim Freihandelsabkommen TTIP mit den USA ins Bett steigen und Russland mit Sanktionen überziehen dürfe. Dann sagt er: „Es geht um Systemkritik, ich benutze dieses böse Wort ganz bewusst.“ Lucke hatte genau davor gewarnt. Pretzell bekommt tosenden Applaus. Langsam wird klar: für Lucke wird es eng.
Petry steigt ein. Sagt, dass der Islam mit seinem Staatsverständnis „uns völlig fremd und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“ sei. Dass aktive Bevölkerungspolitik gebraucht werde. Und dass die Pegidademonstranten die Bürger seien, „für die wir Politik machen wollen“. Dann räumt sie ein paar Fehler ein, sagt, sie wolle auch wirtschaftsliberale Köpfe für ihr Team gewinnen und dass die AfD eine „mutige, echte Alternative für Deutschland“ bleiben müsse.
Jubel für Ressentiments
Im Saal ist es heiß, 27,5 Grad sollen es sein. Die Klimanlage laufe auf Hochtouren wird versichert. Die Stimmung im Saal ist aggressiv, die Wut der Afdler spürbar. Auf Flüchtlinge und Muslime, das Establishment, die etablierte Politik. Jeder Satz gegen Flüchtlinge und Muslime wird frenetisch beklatscht.
Vielleicht ist Lucke in diesem Moment schon klar, dass er verlieren wird. Er sagt seine typischen AfD-Sätze. Dann grenzt er sich von Pegida ab (“Wir haben nicht beschlossen, dass wir eine Pegida-Partei sind.“). Buhrufe. Er warnt davor, billige Stimmungen zu erzeugen. Der Tagungsleiter greift ein. „Wir wollen respektvoll miteinander umgehen und uns nicht mit Buhrufen überziehen.“ Das wird er noch häufiger sagen müssen. Lucke warnt davor, Muslime auszugrenzen. Und sagt, dass Flüchtlinge, die Hilfe brauchen , diese auch bekommen müssen. Buhrufe. Dann aber bekommt er auch Applaus.
Keine schnellen Entscheidungen
Endlich wird abgestimmt.. Die Skepsis gegenüber den elektronischen Wahlgeräten ist groß, deshalb wird mit Zetteln in geheimer Abstimmung gewählt. Das dauert. Zwischendurch legt der Rechnungsprüfer seinen Bericht vor und empfiehlt, den alten Vorstand nicht zu entlasten.
Kurz nach sechs wird Petrys Sieg verkündet. Sie lacht. Lucke gibt ihr brav die Hand. Unten, vor dem Podium, sagt er den Journalisten: „Das ist weit weg von dem, was ich 2013 vorhatte mit der AfD.“ Jetzt wolle er mit den Weckruflern über das weitere Vorgehen beraten. „Schnelle Entscheidungen mache ich nicht.
Oben auf dem Podium versucht Frauke Petry Joachim Starbatty, wie Lucke Ökonom, Europaparlamentarier und Weckruf-Initiator, für eine Kandidatur als zweiter Vorsitzender zu gewinnen. Er sagt ab. Schließlich wird Jörg Meuthen, Vize-Landeschef aus Baden-Württemberg, gewählt, der als wirtschaftsliberal gilt, sich selbst aber keinem Flügel zuordnet. Die Wahl des restlichen Bundesvorstands steht noch an.
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