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40 Jahre Ignoranz

Finanzierung Seit Jahren ist der Bundesregierung bekannt, dass Frauenhäuser viel zu wenig Geld haben. Allein im Jahr 2013 wurden 7.000 Frauen abgewiesen. Doch die Finanzierung der Frauenhäuser ist Ländersache

BERLIN taz | „Nicht ausreichend“ sei die Finanzierung der Frauenhäuser, so ein Beschluss der GeichstellungsministerInnen 2009. Es gebe „Lücken in der Hilfegewährung“ schrieben sie 2010. „Bitte zeitnah prüfen“, forderten sie 2011. 2012 nehmen sie „mit großer Betroffenheit zur Kenntnis“, 2013 stellen sie fest: Die Unterstützung der Frauen sei „unzureichend geregelt“. Im Jahr 2014 beschließen sie dann, dass der Bund „Vorschläge zur Verbesserung“ machen soll und setzen eine Arbeitsgruppe ein. Diese Arbeitsgruppe soll nun am Donnerstag Vorschläge vorlegen.

Die Frauenhaus-Protagonistinnen können es nicht so recht glauben, dass da wirklich etwas Substanzielles kommt - und das kann man ihnen nicht verdenken. Die Finanzierung der Frauenhäuser, die es mittlerweile fast 40 Jahre gibt, ist seit Jahren ein Problem und seine Lösung wird seit Jahren vertagt. Eine Lage, die der CEDAW-Ausschuss, der über die Einhaltung der Frauenrechtskonvention wacht, schon 2009 „besorgniserregend“ fand. Er drängte auf Besserung.

Es ist schwer zu verstehen, dass eine Regierung in amtlichen Berichten feststellt, dass ein Viertel der weiblichen Bevölkerung bereits häusliche Gewalt erlebt hat – und die Hilfe für diese gewaltige Zahl seit Jahrzehnten nicht gesichert ist. Im Jahr 2013 nahm die Zentrale Informationsstelle der Autonomen Frauenhäuser eine Stichprobe bei 76 Frauenhäusern. 5.000 Frauen wurden aufgenommen, 7.000 mussten abgewiesen werden. Es gab keinen Platz.

8 Cent pro Einwohner zahlt Bayern für Frauenhäuser

Oder sie gehörten zu Gruppen, die nicht über Hartz-IV versorgt werden können, weil sie etwa Studentinnen oder Asylbewerberinnen sind. Ganze 8 Cent pro EinwohnerIn wendet etwa Bayern für seine Frauenhäuser auf. Das grün-rote Baden-Württemberg hat auf 11 Cent erhöht. Doch eine vernünftige Finanzierung fängt bei etwa einem Euro an, erklärt Eva Risse von der Zentralen Informationsstelle der autonomen Frauenhäuser. So viel wendet Schleswig-Holstein auf, das einzige Bundesland, das seine Frauenhäuser nachhaltig finanziert und diese Aufgabe in einem Landesgesetz festgeschrieben hat.

So ein Gesetz wollen wir auch, versprach die rot-grüne Koalition in NRW in ihrem Koalitionsvertrag. Man werde „ein Landesgesetz auf den Weg bringen“, das eine „verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhäusern“ verankert. Einen „Rechtsanspruch“ auf einen Platz im Frauenhaus sollten Gewaltbetroffene haben. Kaum an der Regierung fiel den Grünen die schwierige Haushaltslage des Landes auf - seitdem ward nichts mehr von dem Plan gehört.

Und wird sich nach der MinisterInnenkonferenz am Donnerstag etwas ändern?

Angelika Kolb, Gleichstellungsministerin in Sachsen-Anhalt und Vorsitzende der Arbeitsgruppe, die Lösungsvorschläge erarbeiten sollte, dämpft die Erwartungen: „Dieses Jahr wird nicht der Durchbruch kommen“, sagte sie der taz. Zu groß sei die Angst der Länder vor den Kosten einer besseren Versorgung der Frauenhäuser – und zwar unabhängig von der Partei an der jeweiligen Macht. „Ich denke, das Problem muss auf einer höheren Ebene gelöst werden“, meint Kolb. Sie plädiert für eine bundesgesetzliche Regelung und für eine Beteiligung des Bundes an den Kosten.

Das Familienministerium dagegen verschanzt sich hinter der Arbeitsgruppe: nun wolle man doch erst mal deren Ergebnisse abwarten. Auch die Koalitionsfraktionen schieben die Verantwortung den Ländern zu. Man warte noch auf deren Vorschlag, so Marcus Weinberg und Sönke Rix unisono, frauenpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen.

Die Opposition versucht, zu treiben: „Sobald das Thema auf der Tagesordnung ist, echauffieren sich alle gerne und laut. Aber wenn es darauf ankommt, wird auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Der Bund darf sich nicht immer vor dem Problem ducken“, sagt Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

„Aus meiner Sicht ist der Bund auf jeden Fall verpflichtet, sich an den Kosten zu beteiligen, weil er für die „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ zu sorgen hat, so Carola Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linken.“ Die Kosten für das im Grundgesetz verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit dürften nicht alleine den Kommunen und Ländern zugeschoben werden oder gar zu den betroffenen Frauen.

Zusammen mit den Grünen will die Linke im September diesen Jahres in einem Fachgespräch klären, ob dafür die konkrete Formulierung eines Rechtsanspruches hilfreich ist.

Wie kann es sein, dass der Schutz von Frauen gegen Gewalt nicht finanziert wird? Warum tun alle so, als hätte man dafür weitere 40 Jahre Zeit? Fast könnte man meinen, das habe etwas mit der Missachtung von Frauen zu tun. Heide Oestreich

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