: Kein Geld für die Nachsorge
Geburt Hebammen bekommen ihre Arbeit mit Flüchtlingsfrauen oft nicht vom Amt bezahlt, obwohl auch die ein Recht auf diese Leistungen haben
Andrea Krugmann de Oliveira geht häufig in Flüchtlingsheime. Die freiberufliche Hebamme hilft schwangeren Asylbewerberinnen bei der Geburtsvorbereitung, gibt Stillberatung für junge Mütter, untersucht Neugeborene. „Ich helfe den Frauen gerne, aber ich weiß jetzt schon, dass ich meine Arbeit dort nicht bezahlt bekommen werde“, sagt sie. Im vorigen Jahr habe sie vier Frauen mit Neugeborenen im Neuköllner Flüchtlingsheim Haarlemer Straße betreut, bis heute habe das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) die Rechnungen nicht bezahlt.
Das Problem mit der schlechten Zahlungsmoral des Amts ist bekannt: „Berlin macht regelmäßig Probleme bei der Abrechnung“, sagt Anwältin Ann-Kathrin Hirschmüller von der Rechtsstelle des Deutschen Hebammenverbands. Seit Anfang des Jahres 2015 hätten die Beschwerden von Hebammen stark zugenommen, 30 Verfahren habe ihr Verband seit Jahresbeginn angestrengt.
Zwar lenke das Lageso dann häufig ein. „Aber erst mal herrscht dort offenbar die Auffassung, dass Flüchtlingsfrauen insbesondere auf die Leistungen nach der Geburt keinen Anspruch haben“, sagt Hirschmüller.
Dabei sei dies im Asylbewerberleistungsgesetz eindeutig geregelt, so die Juristin: In puncto Schwangerschaft stünden Flüchtlingen die gleichen Leistungen zu wie jeder anderen gesetzlich Versicherten.
Obligatorischer Besuch
Und das aus gutem Grund: Für die Gesundheit von Mutter und Kind sind Hebammen von unschätzbarem Wert – und dazu recht günstig. Im Schnitt rund 150 Euro pro Frau stellt Hebamme Krugmann dem Lageso in Rechnung.
Die Aufträge für die Betreuung bekomme sie über die Sozialarbeiter der Heime oder jene der Jugendämter, erzählt Krugmann. Letztere meldeten sich immer dann, wenn sie beim obligatorischen Besuch nach einer Geburt das Kindeswohl gefährdet sehen, etwa weil das Baby an Gewicht verliert.
„Mit einer Stillberatung bei zwei, drei Hausbesuchen kann ich da viel erreichen“, weiß Krugmann. Doch immer mehr Hebammen zögerten, die Aufträge in Flüchtlingsheimen überhaupt anzunehmen, berichtet sie. „Umsonst zu arbeiten kann man sich als freiberufliche Hebamme eigentlich nicht leisten.“
Vermutlich ist es eine bürokratische Haarspalterei, mit der sich das Lageso – ebenso wie andere Kommunen in Deutschland – vor der Finanzierung gesetzlich vorgeschriebener Leistungen drückt: Laut Juristin Hirschmüller können nämlich die Hebammen selbst keine Ansprüche gegenüber der Behörde geltend machen, dies können nur die betroffenen Frauen. Und sie müssten sich noch vor Inanspruchnahme einer Hebamme vom Amt bestätigen lassen, dass deren Leistung erstattet wird. „Das ist natürlich sehr realitätsfremd“, findet Hirschmüller.
Wie das Lageso selbst den Sachverhalt sieht, war trotz mehrfacher Nachfrage der taz bislang nicht in Erfahrung zu bringen. Susanne Memarnia
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