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Jetzt bitte noch ein bisschen schöner

PRESSING-ELF Dank des überragenden Sturmduos Célia Sasic und Anja Mittag schlägt die DFB-Auswahl Schweden 4:1 und kann erstmals über 90 Minuten überzeugen. Vor dem Viertelfinale ist nun die Frage: Können die Deutschen mehr als Kampfmaschine?

AUS OTTAWA Doris Akrap

Eine Geste sagt mehr als tausend Tore. Die Arme angewinkelt, die Hände zu Fäusten geballt, die Augen geschlossen und ein langer Schrei – so triumphierte Célia Sasic nach ihrem erfolgreichen Elfmeterschuss gegen Schweden. Dieses Bild hat ikonografische Qualitäten und wäre längst als Meme in den sozialen Medien unterwegs, wenn die WM der Frauen in Kanada mehr Aufmerksamkeit erhalten würde. Aber gut, lassen wir das: Die WM-Geschichte der Deutschen hat endlich einen ersten Höhepunkt nach einer an Höhepunkten eher armen Vorrunde.

Krasse Temperaturen

Die geballten Fäuste von Célia Sasic nach ihrem wuchtigen, ins rechte untere Eck platzierten Elfmeter könnten das Sinnbild sein für das, was ihre Trainerin Silvia Neid am Samstagabend ein „Schlüsselspiel“ nennen sollte. Obwohl es nicht mal das erste Tor im Achtelfinale gegen Schweden war, sondern bereits das 2:0 oder vielleicht gerade deswegen symbolisiert die Geste Sasics in der 36. Minute vielleicht am ehesten das, was im Fußballsprech immer mit „den Hebel umlegen“ beschrieben wird. Nicht nur, weil Sasic mit ihren Armen eine Hebelbewegung machte, sondern weil dieses Tor dazu führte, dass die Anspannung der DFB-Auswahl sich auflöste. Das deutsche Team, dem man die Nervosität bei seinen ersten Auftritten in den vergangenen zwei Wochen, ja sogar beim 10:1-Kantersieg gegen die Elfenbeinküste, überdeutlich angemerkt hatte, spielte jetzt leichtfüßigeren und präzisen Fußball.

Bis dahin hatten die Deutschen zwar klar gemacht, dass sie hier trotz krassester Temperaturen auf dem Kunstrasen das Spiel beherrschen wollen würden. Nicht mit Ballbesitz – der war zwischen beiden Teams gerecht verteilt –, sondern mit Druck. Wie schon in den Partien zuvor hatte es aber Dutzende Torschüsse und auch einige hochkarätige Chancen gegeben, die aber fahrlässig vergeben wurden. Silvia Neid schlug die Hände vors Gesicht und brüllte vom Seitenrand ins Spielfeld. Warum die Bundestrainerin Alexandra Popp nicht vom Spielfeld nahm, bleibt ihr Geheimnis. Die nämlich vergab eine Chance nach der nächsten und war irgendwann über sich selbst so sauer, dass sie mit dem Fuß aufstampfte und sich selbst beschimpfte. Schon in den Spielen vorher hatte Popp eine aufopferungsvoll kämpfende, aber eher unglückliche Figur abgegeben. Ob der Elfmeter, nach einem vermeintlichen Foul an Anja Mittag, zu Recht gegeben wurde oder nicht – weder war er das erste, noch sollte er das letzte Tor in diesem Spiel gewesen sein. Aber er hatte seine psychologische Wirkung. Gegen einen ernst zu nehmenden Gegner hatte man den Vorsprung ausgebaut und musste sich nicht sorgen, wie gegen Norwegen in der zweiten Halbzeit einzubrechen.

Kompakt und hellwach

Pia Sundhage, die Trainerin der Schwedinnen, wollte sich an der Debatte um den Elfmeter gar nicht erst beteiligen. „Interessanter wäre es geworden, wenn wir noch das 2:3 geschossen hätten“, sagte die erfahrenste unter den Übungsleiterinnen bei dieser WM – und damit hatte sie wahrscheinlich recht. Denn in den letzten 20 Minuten des Spiels, die Deutschen hatten das Tempo rausgenommen, die Schwedinnen ihre Offensive durch Kosovare Asllani verstärkt, kamen die Nordeuropäerinnen zum ersten Tor, und Sofia Jakobsson hatte das zweite eigentlich auf dem Fuß. Ob die deutsche Pressing-Elf sich davon erneut hätte beeindrucken lassen, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass die Deutschen nur dann empfindlich getroffen werden, wenn die anderen treffen. Sonst verwüstet die kompakte, hellwache Kampfmaschine alles, was sich ihr in den Weg stellt.

Dribblings und Tricks

Die geballte Faust könnte zum Sinnbild für die Kehrtwende werden

Nadine Angerer mag immer noch die bekannteste deutsche Spielerin sein. Da sie im Turnier bisher kaum gefordert wurde, hat sie bisher – anders als andere Torhüterinnen – keine großen Szenen zu ihrem Poesiealbum hinzufügen können. Im Gegensatz zu Anja Mittag und Célia Sasic. Die beiden, die das Angriffsduo bildeten, waren an diesem Samstag die wichtigsten Spielerinnen. Mittag, die in Kanada bislang die überzeugendste Performance im deutschen Team bietet, schoss auch den Führungstreffer. Ihr wunderschön gezirkelter Schuss war kein Zufallsprodukt. Nach dem Spiel sagte sie: „Ich habe mir vorher überlegt, dass ich den schlenzen will, ins lange Eck.“

Noch schöner und sicher auch kein Zufallstreffer war das Tor von Dzsenifer Maroszan. Nach einer Ecke erwischte sie den Ball noch im Fallen und schlenzte ins rechte obere Eck zum 4:1-Endstand. Das erste WM-Tor der technisch besten Deutschen war bitter nötig. Denn was diese Spielerin hier schon alles verschossen hat, ist rekordverdächtig.

Es gibt eigentlich nur noch eins, das man jetzt von den Deutschen sehen wollen würde: schönen Fußball. Sicher, hier und da blitzt der mal auf, vor allem bei Simone Laudehr und Dzsenifer Maroszan. Die beiden zeigen schöne Kombinationen, tolle Dribb­lings, kleine Tricks. Aber insgesamt muss dieses Team noch ein wenig lockerer werden und statt kämpferischer Stärke öfter einmal etwas Verzauberndes zeigen. Dann würden die berühmten Hebel vielleicht auch beim kanadischen Publikum umgelegt.

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