Kommentar Erdogans Weißer Palast: Der Größenwahn schlägt zurück

Palast ohne Baugenehmigung und Mercedesflotte. Erdogans Lebensstandard bietet viel Angriffsfläche – doch richtig verwundbar macht ihn das nicht.

Tayyip Erdogan in seinem Palast

Präsident Erdogan in seinem Palast Foto: dpa

Erdogans Verschwendungssucht irritiert zehn Tage vor den Präsidentschaftswahlen die vielen Armen in der Türkei. Bislang waren sie seine treuen Anhänger. Nun hat also auch ein Gericht festgestellt, was die Architektenkammer in Ankara schon lange gesagt hatte: der protzige Weiße Palast, den Präsident Erdogan sich vor den Toren der Hauptstadt hat bauen lassen, ist ein Schwarzbau. Wäre die Türkei noch ein Rechtsstaat käme der Präsident jetzt in erhebliche Erklärungsnot.

Tatsächlich ignoriert Erdogan das Urteil einfach. Trotzdem ist es natürlich gut, dass der Richterspruch jetzt, zwölf Tage vor den Parlamentswahlen, die auch für die Zukunft Erdogans entscheidend sind, veröffentlicht wurde. Es ist eine Steilvorlage für die Opposition, die Korruption des Erdogan Clans und die Arroganz der Macht des Präsidenten noch einmal plakativ an den Pranger zu stellen.

Dabei ist der Vorwurf, der Palast sei ein „Schwarzbau“ noch Erdogans geringstes Problem. Die Hälfte aller Häuser in Istanbul sind streng genommen Schwarzbauten, also ohne korrekte Baugenehmigung hochgezogen. Viel schwerer wiegt der Protz und obszöne Reichtum, der mit dem Palast ausgestrahlt wird.

Hatte Erdogan anfangs noch gehofft, seinen Propagandisten könnte es gelingen, den Protzpalast als Ausweis der neuen Stärke des Landes darzustellen, sieht er sich stattdessen in den sozialen Medien aber auch in den Oppositionszeitungen immer wieder mit neuen Verschwendungsvorwürfen konfrontiert. Allein eines der vergoldeten Teegläser ist teurer als ein monatlicher Mindestlohn, die Elektrizitätskosten des Palastes übersteigt schlicht die Vorstellungskraft von Leuten, die mühsam jeden Monat das Geld für ihre Stromrechnung zusammenkratzen müssen.

Ach ja, und die Phantasieuniformen der Palastgarde sind für die meisten Türken reines Kabarett. Hohn und Spott sind die Antwort. Mit seinem Palast hat Erdogan sich eine Quelle ständigen Spotts und täglichen Ärgernisses geschaffen, das gerade bei den unterprivilegierten, armen Massen, die bislang ein verlässliches Wählerpotential für ihn waren, zu erheblichen Irritationen führt.

Für Erdogan „Peanuts“

Die Opposition hat das schnell erkannt und klug darauf reagiert. Die sozialdemokratische CHP und die linkskurdische HDP kündigen eine relevante Erhöhung des Mindestlohnes und einen Schuldenschnitt von völlig überschuldeten Kreditkartenbesitzern an. Erdogan leistet sich stattdessen eine Debatte um teure Minister – und Funktionärsautos. Die Kosten für die Mercedesflotte von Regierung und Funktionären landesweit, rund eine Milliarde Euro, entsprechen fast dem Bildungsetat.

Als die Opposition dies anprangerte, leistet sich Erdogans Finanzminister einen Fehler, der auch in Deutschland schon einmal einem Bankmanager die Reputation gekostet hatte. Er bezeichnete die Kosten für die Dienstflotte als „Peanuts“, just zu einem Zeitpunkt, als das Wirtschaftswachstum einbricht und die Arbeitslosigkeit signifikant steigt.

Als der peinlich berührte Vorsitzende der Religionsbehörde „Dianet“ daraufhin ankündigte, seinen Dienst-Mercedes zurückgeben zu wollen, setzte Erdogan noch eins drauf. Warum soll der oberste Müftü keinen Mercedes fahren, fragte er bei seinen illegalen Wahlkampfauftritten und ließ dem widerstrebenden Religionsvorsteher einen dreimal so teuren, gepanzerten Daimler vor die Tür stellen. Das alles trägt dazu bei, die Popularität Erdogans erstmals seit seinem Aufstieg 2002 ernsthaft zu beschädigen.

Nahezu alle Umfragen sehen für die bevorstehenden Wahlen einen Verlust der AKP von rund zehn Prozent voraus. Erdogan müsste nicht nur die erhoffte Mehrheit für eine Verfassungsänderung abschreiben, die AKP könnte sogar ihre absolute Mehrheit verlieren und zu einer Koalition gezwungen sein. Viele Türken fürchten deshalb, Erdogan könne sich um die Wahlergebnisse so wenig scheren wie um die Baugenehmigung für seinen Palast. Schon jetzt ist die Befürchtung des Wahlbetruges das Topthema des Wahlkampfes.

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