Junges ZDF-Nachrichtenformat: Wie die YouTuber

Mit „heute+“ liefert das ZDF Nachrichten im Netz und löst sich vom klassischen TV. Damit will der Sender ein junges Publikum erreichen.

Macht Claus Kleber Konkurrenz: „heute+“-Moderator Daniel Bröckerhoff. Bild: dpa

Der erste Streiktag der Bahn war zugleich der erste Fauxpas von „heute+“: „Seid ihr heute Morgen auch schon in die #Geiselnahme der GDL geraten?“, fragte das Team am 4. Mai auf Facebook. Einen Tag später folgte die Entschuldigung: „Wir haben entweder die falsche Frage gestellt und hätten thematisieren sollen, ob es sich tatsächlich um eine ’Geiselnahme‘ handelt.“

Schön ist so ein kleiner Shitstorm nicht, aber in der Vorstellung der „heute+“-Redaktion kam er genau richtig. „Heute+“ macht Nachrichten für die sozialen Netzwerke, crossmedial, interaktiv und vor allem im Dialog mit den Zuschauern. „Die Vorstellung, wir Journalisten predigen von der Kanzel herunter, ist veraltetet“, sagt Daniel Bröckerhoff, der die Sendung moderieren wird. „Wir wollen unsere Arbeit transparent machen. Dazu gehört auch, auf Kritik zu reagieren.“

Die Beiträge werden, sobald sie fertig sind, bei Facebook veröffentlicht. Am Abend werden sie zu einer live moderierten Sendung zusammengefasst und im linearen Programm anstelle von „heute Nacht“ gezeigt. Der Sendeplatz spielt aber eigentlich keine Rolle, denn: „Wir wollen auf die mobilen Endgeräte“, sagt Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF.

Mit „heute+“ löst sich sich der Sender also vom klassischen Nachrichtenformat. Nachrichten werden nicht mehr als eine 15-minütige Sendung mit festem Schema gedacht, sondern als ein sich ständig weiterentwickelndes Format. „Junge Leute wollen keine anderen Themen als ältere“, sagt Theveßen. „Aber sie wollen eine andere Herangehensweise: kritischer, auf den Punkt und weniger statisch.“ In „heute+“ übersetzt heißt das: Man will nicht über das x-te Gipfeltreffen von Staatschefs berichten, wenn dort nicht wirklich etwas Substanzielles herauskommt.

Fernsehnachrichten 2.0

Das hat auch die Konkurrenz begriffen, die schon lange nicht mehr nur aus anderen Fernsehsendern besteht. Facebook zeigt in seiner iPhone-Mobilapp seit Mittwoch vollständige Nachrichtenartikel statt wie bisher nur Links. Aus Deutschland beteiligen sich bisher Spiegel Online und bild.de an der Kooperation. Ganz ähnlich agiert Snapchat schon seit Januar. In der App können Nachrichten von CNN, National Geographic und Vice versendet werden.

Zwei Jahre lang hat ein Team an dem ZDF-Konzept gearbeitet, seit drei Wochen läuft in den sozialen Netzwerken die Testphase. Das Kennenlernen der beiden Moderatoren Bröckerhoff und Eva-Maria Lemke, die bisher im ZDF-Morgenmagazin zu sehen war, wurde live per Periscope gestreamt. Mehrmals täglich postet die Redaktion bei Facebook Videos, Beiträge und Fotos.

Die Themen sind die gleichen, die abends bei „heute“ laufen, aber anders erzählt: schnellere Schnitte, Musikbett unter der Autorenstimmen, mehr Grafiken, lockerere Ansprache. Das sieht ein bisschen aus wie „Logo“, nur nicht ganz so einfach getextet. Dabei sei es schon das Ziel, Nachrichten eher in die großen Zusammenhänge einzubetten, Hintergründe zu erklären, komplexe Sachverhalte einfach zu beschreiben, sagt Theveßen.

Personalisierung ist wichtig

Erreichen wollen sie das auch über Personalisierung. Wenn es um den Kita-Streik geht, berichtet eine Korrespondentin vor der Kamera: „Ich steh hier mitten in der Kita“ und „Ich habe den Eindruck, dass …“. Ungewöhnlich für eine Nachrichtensendung, aber erfolgversprechend im Netz, glaubt Theveßen. „Genauso arbeiten ja auch die YouTuber.“

Nur: Die YouTuber sind Profis auf ihrem Gebiet. Die Korrespondenten in den ZDF-Landesstudios wurden zwar für das neue Format geschult, liefern die „heute+“-Beiträge aber neben ihrer täglichen Arbeit für die anderen, klassischen Magazine.

Für Elmar Theveßen ist das nicht unbedingt ein Widerspruch: Was er in der Entwicklung von „heute+“ gelernt hätte, ließe sich auf „heute“ und „heute journal“ übertragen. Schließlich wollen auch die erwachsenen Zuschauer Erklärung und Einordnung, glaubt er. Aber „heute“ bleibe erst mal, wie es ist.

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