Gert Scobels Abschied von der 3sat-"Kulturzeit": Von Marco bis Medea
Der "Kulturjournalist des Jahres 2005", Gert Scobel, verhedderte sich in seiner letzten Sendung mit gewagten Einleitungen. Ab April 2008 bekommt er seine eigene Sendung.
Im immer seltsamer werdenden Fernsehgeschäft stehe die "Kulturzeit" für Erkenntnis, sagte Gert Scobel am Montag zum Abschied. Seltsam war das, was der sonst so geschätzte Moderator in seiner letzten Sendung hinlegte, tatsächlich. Erkenntnisgewinn dagegen bescherten die endlosen Schwenks auf eine Waschmaschine dem Zuschauer im Beitrag über sich "reinwaschende" SS-Mitglieder eher weniger.
Der mehrfach preisgekrönte Scobel verlässt die einfach preisgekrönte Sendung auf 3sat. (Damit folgt er Dieter Moor, der bei "Kulturzeit" vertretungsweise moderierte, dann zu "ttt -Titel, Thesen, Temperamente" ging und dort Caren Miosga ablöste, die zu den "Tagesthemen" wechselte und Anne Will ablöste, die Christiansen ablöste, die niemanden mehr ablösen darf.)
Auch Scobel wird niemandes Nachfolger. Stattdessen soll er ab April seine eigene wöchentliche Sendung auf 3sat moderieren. Gut, dass ihm das schon versprochen wurde. Denn ausgerechnet Scobels letzte Vorstellung war nicht gerade das, womit man im Bewerbungsgespräch besticht.
Scobel, "Kulturjournalist des Jahres 2005", der komplexe Sachverhalte oft erstaunlich verständlich erklären kann, verhedderte sich, gewiss nervös ob der gesteigerten Abschiedsaufmerksamkeit, in unzähligen Exkursen. Um etwa den Beitrag über das Theaterstück "Mamma Medea" einzuleiten, schlug er einen Bogen zum Kindergipfel der Kanzlerin, streifte kurz Marco, die Zahl der Kinder unterhalb der Armutsgrenze und die Kriminalstatistik über Kindstötungen - drei pro Woche -, aus der er folgerte, dass die Gesellschaft diese drei toten Kinder einkalkuliere, ergo kinderfeindlich sei, um endlich von hinten durch die Brust bei Medea anzukommen, (die ihre Kinder aus Rache tötete - was weder in Darry noch in Plauen noch im Fall Marco zutrifft).
Auch im anschließenden Interview zeigte sich Scobel nicht von seiner allerbesten Seite. Könne die Faszination für Kindsmörderinnen daher rühren, dass wir selbst den nährenden Staat, also die Mutter verloren haben, Stichwort Hartz IV?
Mehrfach musste die Gesprächspartnerin seine Fragen sortieren, in etwa so: Wenn Sie fragen, ob ich blabla, dann würde ich sagen, ja. Ob es das ist, was die Grimme-Kommission meinte, als sie schrieb: "Er führt Gespräche und Diskussionen, ohne sie zu dominieren"?