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"Bionade" kommt auf US-MarktAngriff der Öko-Brause

Limonaden-Firma Bionade und Nudelhersteller Alb-Gold wollen den US-Markt erobern - und ziehen in eine altdeutsche Pietistengemeinde in Iowa.

Nimmt den internationalen Kampf gegen Coke und Pepsi auf: Bionade Bild: dpa

Eigentlich ist es samstags, wenn Schnee über Iowa liegt, still in Amana. Der Bäcker und der Laden schließen um vier, das Heimatmuseum macht gar nicht erst auf. Schornsteine rauchen vor sich hin, und die wenigen Straßen sind leer. Doch heute wird ein bisschen Betrieb in der 1.600-Seelen-Kolonie herrschen, denn es kommt Besuch. Zwei Männer, einer aus Baden-Württemberg, einer aus Bayern, werden erwartet - und mit ihnen nichts Geringeres als eine andere Zukunft. Die Geschichte dieses Besuchs beginnt vor vier Jahren.

Klaus Freidler, ein Nudelfabrikant aus dem schwäbischen Trochtelfingen, tourte mit einer Harley Davidson "zur Gaudi" durch die USA. Weil ihn zu Hause die Handelskammer von Iowa eingeladen hatte, wollte er mal - einfach so - auf seinem Weg quer durch die Vereinigten Staaten vorbeischauen. Die Leute von der Wirtschaftsagentur in Cedar Rapids reisten mit ihm kreuz und quer durch den Bundesstaat mitten im Herzen der USA - und zeigten ihm schließlich auch die Amana Colonies. Das sind sieben kleine Dörfer, jedes um eine schlichte Kirche und große Scheunen herum gebaut. Die Häuser sind mit verwitterten Holzlatten verkleidet und manche wie für ein Fotoalbum mit großen deutsch-englischen Hinweisschildern beschriftet. In ihnen leben tiefreligiöse Menschen mit Familiennamen wie Hoehnle, Hoppe oder Hahn, die die Welt jenseits von Amana schlicht die "Außenwelt" nennen. Das was für sie "innen" ist, ist der gemeinsame Glaube an den inneren Dialog mit Gott. Das sind hessische Familien, die sich zum Teil seit dem 18. Jahrhundert kennen. Das sind Menschen, die Handwerker sind und solide Produkte lieben. Und es sind die Zweifel darüber, was das heißt, etwas Besonderes im Ozean des US-amerikanischen Daseins zu sein. "Ich hatte gleich das Gefühl, das ist eine ehrliche Sache hier, ich fühlte mich zu Hause", sagt Klaus Freidler heute.

Hinter ihm liegen zahlreiche Reisen nach Amana. Gespräche, Verhandlungen, Geschäftspläne und vorsichtiges Herantasten. Vor ihm liegt die Vision der Gründung einer gemeinsamen Nudel- und Limonadenfirma mit seinem Freund Peter Kowalsky. Den lernte er vor drei Jahren auf einer Veranstaltung zu Öko-Agrarprodukten in Süddeutschland kennen. Kowalsky ist der Kowalsky, der das Konzept Limonade vor wenigen Jahren mit einer neuartigen Brautechnik revolutionierte. Sein Produkt, die Bionade, hat Europa im Sturm erobert. Nun wollen beide Unternehmer, deren Philosophie Perfektion durch beste Qualität ist, auf dem amerikanischen Kontinent groß einsteigen. Kooperiert haben sie bereits in mehreren europäischen Ländern. Das Grundstück ist schon ausgesucht. Die Amana Society, hervorgegangen aus dem gemeinschaftlichen Besitz der einstigen pietistischen Kommune, ist der größte Landbesitzer und Farmbetrieb in Iowa, sie stellt das Bauland und die Äcker zur Verfügung. Es hat länger gedauert, "bis den Leuten in Amana klar war, dass wir wirklich biologischen Anbau unserer Rohstoffe benötigen", erinnert sich Freidler. Doch weil die beiden Deutschen so beharrlich darauf bestanden, fanden sich in Amana ganz allmählich Lösungen. Die Kuhweiden "sind seit Jahren Monsanto-frei", lacht der Nudelmacher. Auf denen werden Alb-Gold und Bionade noch in diesem Jahr mit dem Anbau von Dinkel, Braugerste und Holunder beginnen. Im Mai gehts los mit dem Bau zweier topmoderner Produktionsstätten, einer Schauküche, einem biologischen Restaurant und eines Besucherzentrums. Die Menschen in Amana denken sich noch nicht viel dabei. Peter Hoehnle arbeitet für eine Non-Profit-Organisation, die sich um die ökonomische Entwicklung der Bewohner Amanas bemüht.

Doch viel lieber redet der 33-Jährige über die Geschichte, er ist schließlich promovierter Historiker. Er hat alle Amana-Daten im Kopf und kann stundenlang über den pietistischen Mikrokosmos reden, der die Seelen hier zusammenhält. Und über die Amana-Doktrin des einfachen Lebens und die Menschen, die sie "Werkzeuge" nennen, weil Gott durch sie zu ihrer Gemeinde gesprochen hat. Ach ja, sagt er so nebenbei, demnächst ziehen auch zwei deutsche Firmen zu uns, die eine macht Nudeln, die andere so ein Getränk. Es muss vor ein paar Jahrzehnten gewesen sein, als Amana erschöpft eingenickt ist auf seinem Weg vom uralten Europa hin in die moderne USA. Anders als die Amish haben sich die Pietisten der Welt des Fortschritts nie verschlossen. Schon im 19. Jahrhundert betrieben sie Iowas einzige Wollweberei, noch in den 50er-Jahren produzierten sie die modernsten Kühlschränke der USA. Doch mit der Hinwendung zur Welt ist den Amanern irgendwo der Stolz auf die eigene Lebensweise abhanden gekommen. Erst machte sie das Deutschverbot während des Ersten Weltkriegs sprachlos. Dann zwang die Große Depression sie 1932 zur Auflösung ihres kommunalen Lebensstils. Es folgten Hohn und Häme der Außenwelt, dass die Sekte ihrem "kommunistischen Modell" endlich abgeschworen und der "Kapitalismus in Amana gesiegt" habe. Und dann kam die Globalisierung. "Früher wurden wir für unser Handwerk, unsere deutsche Küche und unsere Qualitätsprodukte sehr geschätzt. Aber heute passt das alles nicht mehr zur amerikanischen Mentalität", sagt Peter Hoehnle. "Warum soll einer einen handgeschreinerten Tisch von uns kaufen, wenn er einen aus China im Supermarkt für einen Bruchteil des Preises bekommt?" Peter Hoehnle spricht Englisch, Deutsch will er lieber nicht versuchen. "Es klingt grauenhaft", meint er lachend. Sein Vater und die anderen Alten sprechen es noch, das altertümliche, ländliche Deutsch, in dem sie sonntags so gern ihre Hymnen singen. "Wir sind etwas Besonderes, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Menschen hier auf die Außenwelt schauen und stets glauben, da draußen ist alles heller und schöner", meint Peter Hoehnle nachdenklich. Er möchte, dass ein Bewusstsein zurückkehrt, dass die Außenwelt, zumal die amerikanische, etwas von ihnen lernen kann. Auch sein Freund John Childers sucht nach etwas, dass Amana aus seinem Dornröschenschlaf erweckt, ohne ihm die Identität zu rauben. Oder nein, umgekehrt, es soll etwas sein, dass der Kolonie eine neue Identität gibt, ohne Amana in seinen Grundfesten zu erschüttern. "Ich freue mich riesig, dass Alb-Gold und Bionade zu uns kommen", meint er und spricht von den 125 dringend benötigten Jobs, die entstehen werden. "Ich glaube auch, sie können uns zeigen, dass unsere deutsche Kultur etwas Schönes ist."

Aufgewachsen ist Childers mit der Mahnung der Großeltern im Ohr, er solle niemandem sagen, dass er Deutscher ist. Heute spricht Childers als einer der wenigen Jungen wieder fließend Deutsch. Er wurde Dialekteforscher, lernte Hochdeutsch und hat ein Jahr an der Universität Marburg studiert, um über den hessischen Amana-Dialekt zu forschen. Mittlerweile arbeitet er bei der Amana Society und führte unter anderen die Verhandlungen mit Klaus Freidler und Peter Kowalsky. Nach seinem englischen Namen gefragt, antwortet er, "oh nein, ich habe schon befürchtet, dass ich das gefragt werde. Aber mein Großvater kam von außen", sagt er, als wäre es etwas Peinliches. Er war ein englischer Quäker aus dem Nachbarkreis.

Klaus Freidler und Peter Kowalsky sind am heutigen Samstag wieder in Amana eingetroffen. Sie müssen noch unzählige Details klären, unter anderem wie die Eier für die Nudeln nach Amana gelangen sollen. Der Hartweizen kommt mit dem Zug aus North Dakota. Der Holunder wächst vor der Tür, das Wasser kommt aus dem Boden. Doch die Eier sind noch ein Problem. Als Freidler der Amana Society vorrechnete, dass er täglich zuverlässig 100.000 Öko-Eier benötigt, griffen sie zum Telefon und riefen bei den Amish im 140 Kilometer entfernten Colona an. Ein Termin war schnell gemacht und der Gesprächspartner zufällig gleich ein Hühnerhalter. Er verstand sofort was Sache ist. Kaum war Freidler damals wieder nach Hause gefahren, hatte ihm der Amish-Mann schon eine Email geschickt und darin vorgerechnet, dass er mit seinem weitläufigen Netzwerk an Glaubensbrüdern 100.000 freilaufende Legehennen unterhalten kann. Nur der Transport wäre ein Problem. Denn Amish lehnen aus religiösen Gründen Autos ab. "Die haben noch die Heugabel, aber Hightech im Büro, da sind sie ganz pragmatisch", lobt Freidler. Nur Autofahren ist nicht drin. So muss Freidler halt eine Logistiklösung finden. Es lohnt sich, denn die Eier sind Spitzenklasse, freut er sich. Es wird sich finden, wie sich hier alles im Laufe der Zeit gefunden hat.

Kowalsky und Freidler haben ausgerechnet, dass ihre Produkte innerhalb von 24 Stunden zwei Drittel der USA erreichen können. Sie hatten andere Angebote, sogar in Kalifornien. Ihre Idee sei aber, erklärt Freidler, dass Alb-Gold und Bionade "authentisch bleiben und verwurzelt mit dem Anbau unserer Rohstoffe". So wie da, wo sie in Deutschland eben herkommen. "Wissen Sie, auch Nudeln brauchen eine Heimat." Für Peter Hoehnle und John Childers wird mit den Spätzle die eigene Geschichte lebendig: "Jetzt kommt ein Stück Deutschland zu uns zurück."

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