piwik no script img

Angela Marquardt tritt in die SPD einGysis Kleene wird Becks Große

Angela Marquardt tritt in die SPD ein. Bis 2003 war sie Punk, Vorzeigejugendliche und Parteivize der PDS. Als Überläuferin sieht sie sich aber nicht.

Das war einmal: Angela Marquardt in der PDS. Ab jetzt engagiert sie sich für die SPD. Bild: ap

Es ist eigentlich eine ganz unspektakuläre Geschichte. Angela Marquardt (36) ist am Donnerstag in die SPD eingetreten. In die Rubrik "Werber" in ihrem Mitgliedsausweis hat sie "Kurt Beck" eingetragen. Das Besondere ist, dass Angela Marquardt früher mal in der PDS war.

In diesen aufgeregten Zeiten, in denen die SPD mit der Linkspartei ringt, ist jedoch nichts unspektakulär. Um jede noch so kleine Bewegung auf der einen wie auf der anderen Seite wird ein Riesenbohei gemacht. Und so dürfte auch Marquardts private Entscheidung zu einem kleinen Politikum werden. In der SPD werden sie eine prominente Überläuferin feiern; Marquardt war immerhin drei Jahre lang stellvertretende PDS-Vorsitzende. Und in der Linkspartei werden nicht wenige sie als Verräterin schmähen.

Angela Marquardt verabscheut beides: das Triumphgeheul wie das Verratsgequatsche. "Ich bin keine Überläuferin", sagt sie zur taz. "Für mich ist das ein Eintritt in eine neue Partei." Man kann ihre Mitgliedschaft in der SPD auch als letzten Schritt einer langen Emanzipation verstehen.

Marquardt ist ein echtes Kind der DDR. Geboren 1971 in Ludwigslust, aufgewachsen in Greifswald. Vater Kernkraftwerker, Mutter Lehrerin. Angelas Berufswunsch: Offizier der Nationalen Volksarmee, aus sportlichen Gründen. Sie will Judo-Weltmeisterin werden. Mit 15 Jahren unterschreibt sie, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi arbeiten zu wollen. Ihre Mutter, selbst IM, diktiert der minderjährigen Tochter die Erklärung. (Erst 15 Jahre später wird sich Angela Marquardt mit der Frage auseinandersetzen, ob ihre Mutter sie politisch missbraucht hat.) Auf der Oberschule wird ihr klar, dass die DDR nicht das ist, was sie zu sein vorgibt.

Nach der Wende landet Angela Marquardt über die Punkszene und das Neue Forum bei der PDS. Sie ist jung, unangepasst, trägt schwarze Klamotten. Ihre kurzen Haare stehen nach oben, sie sind grün und gelb gefärbt. Gregor Gysi macht sie zur Vorzeigejugendlichen der PDS. Selbst als Parteivize ist sie noch "Gysis Kleene". Marquardt eckt an in der PDS, kämpft gegen die Dogmatiker. Nach der Niederlage der Reformer auf dem Geraer Parteitag 2002 zieht sie sich zurück, 2003 tritt sie aus der PDS aus.

Sie studiert Politologie, schreibt ihre Diplomarbeit über die NPD, macht ein Praktikum bei einem Radiosender, wird arbeitslos. Im Jahr 2006 holt sie die SPD-Linke Andrea Nahles als Mitarbeiterin in ihr Bundestagsbüro. Im November 2007 redet SPD-Chef Kurt Beck mit ihr, fragt, ob sie nicht Mitglied werden wolle. Sie denkt ein paar Monate nach - und sagt Ja. "Die SPD ist keine Heimat für mich", sagt sie. "Aber eine linke Partei."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!