die wahrheit: Eiersuche in Schneewehen

Ganz Deutschland wundert sich über weiße Ostern, doch das hat Tradition.

Der Wetterbericht kündigte es seit Tagen an, nun ist es Gewissheit: Während der Osterfeiertage werden in ganz Deutschland winterliche Temperaturen herrschen. Viele Kurzurlauber sind enttäuscht oder gar überrascht, dass sie auf Usedom oder in Regensburg auf kurzärmelige Hemden und leichtes Schuhwerk verzichten müssen; schon überprüfen die ersten via Internet, ob sie ihren Reiseveranstalter verklagen können.

Ostern und laue Frühlingsluft gehörten jedoch noch nie zusammen, sagt der Frankfurter Klimaforscher Wolf Peters: "In den letzten Jahren hat die Erderwärmung dazu geführt, dass es Ostern oft ungewöhnlich mild war. Eigentlich aber fällt Ostern in klassische, natürliche Dauerfrostperioden." Untersuchungen zufolge lag die österliche Durchschnittstemperatur in früheren Jahrhunderten selten über 2 Grad Celsius.

Frostige anstelle froher Ostern? "Ganz genau", bestätigt Mareike Mittmann-Drescher vom Deutschen Volkskunde-Institut in Heilbronn, "das lässt sich historisch einwandfrei belegen - denken Sie nur an den Nürnberger Ostermarkt." Noch Ende des 18. Jahrhunderts, führt die Wissenschaftlerin aus, versank der Nürnberger Ostermarkt traditionell in meterhohen Schneewehen. Zeitgenössische Darstellungen zeigen beeindruckende Schneemassen, aus denen nur vereinzelt die kleinen Spitzdächer der Altstadt herausragen. Nur wenige dieser Bilder haben die Zeitläufte überlebt, da sie oft von späteren Generationen übermalt wurden. "Die Gemälde besaßen aufgrund ihres hohen Weißanteils praktisch schon eine Grundierung", so Mittmann-Drescher.

Auch bezögen sich sich nahezu alle Osterbräuche auf die kalte Wetterlage, sagt die Autorin des Standardwerks "Angsthase, Pfeffernase, morgen kommt der Skihase - Ostern im Wandel der Zeit" (Edition Easter). Ein weißes Hühnerei war und ist im Schnee selbstverständlich schwer zu finden. Vermutlich führten die Nürnberger den Brauch ein, Ostereier bunt zu bemalen, damit diese leichter entdeckt werden konnten. Für diese These spricht, dass die Chroniken der Stadt nach Ostern 1730 einen eklatanten Rückgang der Kindersterblichkeit verzeichnen. "Die Kinder waren schneller mit der Eiersuche fertig und bekamen weniger Erkältungen", erklärt Mittmann-Drescher.

Vor diesem Hintergrund bewerten Forscher inzwischen auch die Rolle des Osterhasen vollkommen neu. Zwar könne er, ganz wie das Ei, als Fruchtbarkeitssymbol verstanden werden - dafür hätten nach Auffassung namhafter Experten aber auch Kakerlaken oder Frösche herhalten können. "Und haben Sie schon einmal Froschspuren im Schnee gesehen?", fragt Mareike Mittmann-Drescher. Hasenpfotenabdrücke sieht man dagegen bis heute in der freien Natur, und der Hase zählt zu den wenigen Geschöpfen, die sich auf meterhohen Schneewehen bewegen können, ohne vom eigenen Körpergewicht in die tieferen Lagen manövriert zu werden. Es lag also in der Logik der Sache, einen Hasen mit dem Verstecken von Ostereiern zu betrauen.

Bleibt nur noch das Lamm, das in diese Neuinterpretation alter Bräuche nicht recht hineinpassen will, wie unschuldig es auch immer sein mag. Mareike Mittmann-Drescher räumt ein, dass in diesem Punkt unter Osterforschern lange Konfusion und sogar Streit herrschte. Inzwischen gäbe es jedoch weitgehend Einigkeit: Junge Schafe spielen in der Ostergeschichte vor allem deshalb eine Rolle, "weil ihre weiße Wolle an eine Schneeoberfläche erinnert".

Schwer umstritten sind hingegen Theorien, wonach es auch in Jerusalem zu Beginn unserer Zeitrechnung empfindlich kalt gewesen sein soll. "Warum sonst ist Jesus kurz nach seiner Auferstehung so plötzlich verschwunden?", hält Mittmann-Drescher Kritikern entgegen. "Dem Mann war einfach zu kalt, er hatte schließlich nur ein dünnes Hemd an." CAROLA RÖNNEBURG

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kari

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