Kolumne Ökosex: Angefixt im Autohaus
Die Abwrackprämie gibt es nicht für Fahrräder. Ist das logisch, oder Zeichen einer mentalen Krise?
Ja, schon wieder. Abwrackprämie. Sie lässt mich nicht los, denn die passt so gut zum Krisenkarneval.
"Jo, weißt du, warum die Merkel Ihren Neuminister, den Guttenberg erst gar net gewollt hat?" "Naa, da hob I keine Ahnung. Warum?
"Ja, weil sie für den Glos nämlich keine 2.500 Euro Abwrackprämie kassieren konnde!"
"Wieso denn des net? Der war doch laut schreibender Zunft eh schon Schrodd?"
"Grade drum. Der wollt mit seinem Gesicht nicht mehr in die Presse."
Helau, ihr taz-LeserInnen. Der oben stehende Abwrackprämienwitz ist der Beginn einer tollen Serie, die in der nächsten Woche ganz Deutschland überschwemmt. Dahinter steckt die Idee, dem politischen Wahnsinn in Deutschland die Maske vom Gesicht zu reißen und die Fratze der Umweltvernichtung zu entblößen. Bitte verwenden sie diesen Schenkelklopfer des guten Ökotainments, wann immer es geht. Dann kommen Sie in die dufte subversive Stimmung, in der wir schon seit Tagen sind. Nie amüsiert man sich ja besser als in Krisenzeiten. Und es ist offensichtlich, dass die nachhaltige Entwicklung, die solare Effizienzrevolution und der gesunde Menschenverstand in einer tiefen Krise stecken. Stichwort Abwrackprämie.
Ich kenne bereits vier sogenannte Bekannte, die dem Ruf des Autohauses erlegen sind. Diese vermeintlichen Krisengewinnler, sie sind in Wahrheit tragische Marionetten des großen Dealers Staat, der sie schamlos angefixt hat. Verblendet von umgerechnet lächerlichen 5.000 DM suchen sie ihr Unglück im Neuwagenkauf. Fröhlich werden sie ihr letztes Geld in Stahl und Gummi versenken, um in wenigen Jahren mit weniger als Nichts dazustehen.
Sie merken, die Abwrackprämie tut der Gesellschaft nicht gut, mir schon. Ich sehe klarer und komme mit vielen netten Leuten in Kontakt. So spielte mir ein Informant ein geheimes Schreiben zu. Er hat bei der Bafa, da ist die Abwrackbehörde, angefragt, ob er für die Verschrottung seines alten Fahrrades auch eine Abwrackprämie bekommen und damit ein neues finanzieren könne. Da hat ein Bundesministerium pflichtbewusst zurückgeschrieben (Schreiben liegt ökosex vor), dass das eben nicht gehe. Die Abwrackprämie sei ja eine Umweltprämie und gelte nicht für Fahrräder, sondern nur für Autos. Das finde ich nicht nur zum Schreien komisch, sondern auch logisch. Denn ein Fahrrad hält ja auch die Euro-4-Norm nicht ein, deshalb hat ein neues Fahrrad ja auch gar keinen Umwelteffekt. Das ist bei den Umweltschutzprodukten anders, die der bewundernswert erfolgreiche Herr Wissmann vom Verband der Automobilindustrie repräsentiert. Deshalb brummt die Autobranche ja auch wie ein Bär, also wenigsten diese und nächste Woche. Und das gilt in diesen Tagen als gut, obwohl es für die nachhaltige Entwicklung eher suboptimal ist. Ich habe in den letzten Tagen auch mit vielen umweltfreundlichen Fahrzeugherstellern telefoniert von Twike, Cityel, Vectrix und mit den Carsharingleuten. Die Helden der klimafreundlichen Mobilität sind ein bisschen irritiert. Denn Elektro- und Effizienzchampions kriegen ja keine Abwrackprämie und können darüber nur bedingt lachen. Die haben es jetzt nämlich mit mental zerrütteten Kunden zu tun, die an nix anderes als an 2.500 Euro denken. Aber aus Sicht der Bundesregierung ist das logisch. Die Produkte der Vorbildunternehmen sind ja bereits umweltfreundlich. Was soll man die dann eigentlich noch fördern?
Das sieht der Verband der Elektrosolarmobile in Deutschland nicht ganz so. Die Bundesregierung hat ja noch vor kurzem eine tolle Strategie zur Elektromobilität vorgestellt. Und auch hier bereits Geld verteilt. An wen? An Volkswagen beispielsweise. Wenn das kein Brüller ist. Wussten Sie, dass die großen Energiekonzerne in Deutschland Geld aus dem Emissionshandel bekommen werden, um neue Kohlekraftwerke zu bauen? Das ist so eine Art Abwrackprämie für alte CO2-Schleudern. Der Wahnsinn regiert, ich fürchte, auch ohne Glos.
MARTIN UNFRIED
ÖKOSEXAuch in der Krise? kolumne@taz.de Montag: Martin Reichert über LANDMÄNNER
Leser*innenkommentare
Thomic Ruschmeyer
Gast
Klasse auf den Punkt gebracht!.
Der emotionale Effekt, von Vater Staat Geld zu bekommen ist zumeist hinreichend, um einer Verblendung wie dieser Abwrackprämie zu verfallen und für sein altes Auto zu kassieren. Nur um sich dann ein neues Auto (mit wohl höherem Wertverfall) zu kaufen, welches von der technologischen Entwicklung auch gleich abgewrackt werden sollte, um nicht weiter ökologischen Schaden anzurichten.
Ob die € 2.500,- ausreichen werden, um in den künftigen Jahren mit dieser neuen/alten "Karre" den sicher steigenden Öl/Benzinpreise zu entkommen, wird die Zeit zeigen.
Tatsache ist aber, dass diese "Prämie" einen ja auch quasi staatlich legitimiert, mit einem neuen Auto was Gutes für die Umwelt zu tun und damit den verantwortungsbewußten Zeitungsleser gerade zu "zwingt", dies zu tun.
Das man(n)/frau bei der Anschaffung eines wirklich sauberen E-Mobiles nicht belohnt wird, sondern ausgeschlossen ist, macht die Sache nicht gerade heiter, sondern eher heikel. Dabei könnte man mit den € 2.500,- aus dem E-Mobil locker ein Solarmobil machen.
Ich jedenfalls werde meine E-Mobile -obwohl schon älter als 9 Jahre- nicht verschrotten, sondern weitere 10 Jahre weiter fahren (die rosten nämlich nicht!), denn ich falle der fossilen Versuchung schon länger nicht mehr anheim.
Thomic Ruschmeyer
Bundesverband Solare Mobilität
www.solarmobil.net