Rede zum Präsidentschaftswahlkampf: Schwan nimmt Banker in Schutz

Anders als der amtierende Bundespräsident warnt die Kandidatin Gesine Schwan vor moralischen Urteilen. Die Ursachen für die Krise sieht sie im "System" und nicht bei den Bankern.

Gesine Schwan gibt sich in ihrer Rede zahm. Bild: reuters

BERLIN taz Auf die "Berliner Rede" des Bundespräsidenten hatte die Herausforderin eigentlich schon geantwortet, mit einem Grundsatzreferat über die Globalisierung vor zwei Wochen an der Hamburger Bucerius Law School. Weil der Vortrag aber zwischen Nato-Gipfel und Barack Obamas Abrüstungsrede ziemlich unterging, nahm Gesine Schwan am Freitag einen zweiten Anlauf und trug ihre Ideen noch einmal vor Journalisten in Berlin vor.

Im Vergleich zu dem Verbalradikalismus, mit dem Horst Köhler neuerdings die Manager schilt oder das Wachstumsdenken geißelt, gab sich die SPD-Kandidatin zahm. "Meines Erachtens können wir nicht auf Wachstum verzichten", sagte Schwan etwa - vorausgesetzt, es finde in den richtigen Bereichen statt. Auch moralische Urteile über die Manager lehnte Schwan ab. "Das sind nicht alles böse Menschen", erklärte sie. "Das System hat sehr dazu beigetragen, dass sie sich so verhalten haben." Diese Erkenntnis erwarte sie von ihren Studenten "in jeder Zwischenprüfung".

Schwan betonte, an Marktwirtschaft und Privateigentum halte sie fest. Auch gegen eine direkte Staatsbeteiligung an notleidenden Unternehmen wie Opel sprach sie sich aus. Man dürfe das Konkurrenzprinzip aus dem Wirtschaftsleben aber nicht auf alle anderen Gesellschaftsbereiche übertragen.

Durch ihre Machtstellung hätten die Manager das Privileg gehabt, "nicht lernen zu müssen", zitierte sie den Soziologen Karl W. Deutsch. Das sei aber nicht allein deren eigene Schuld. Im Fall ihrer Wahl wolle sie die Wirtschaftsführer ins Schloss Bellevue einladen, kündigte Schwan an. Dabei solle es aber nicht um eine "moralische Anklage" gehen, sondern darum, durch "Abfrage ihrer Kompetenz" die Ursachen der Krise zu erklären.

All dies klang einigermaßen akademisch, und das schien der Kandidatin wohl bewusst zu sein. "Das würde dann in eine Vorlesung ausarten", unterbrach sie sich bei einer Antwort selbst. "Da ich sowieso als zu professoral gelte, lasse ich das lieber." Andererseits wies sie den Institutionen, "die in der Gesellschaft noch Autorität haben", eine "Bringschuld" im Krisendiskurs zu - und zählte neben den Kirchen und dem Amt der Bundespräsidentin insbesondere die Universitäten dazu. Dass ihr Parteifreund Gerhard Schröder im vorigen Bundestagswahlkampf erfolgreich gegen einen "Professor aus Heidelberg" agitierte, konnte Schwans Urteil über das gesellschaftliche Prestige von Akademikern offenkundig nicht erschüttern.

Auf Tagespolitik im engeren Sinn kam die Professorin Schwan, die gegen den Banker Köhler nun schon zum zweiten Mal einen Präsidentschaftswahlkampf der Nichtpolitiker führt, nur an einer einzigen Stelle zu sprechen. Sie teile voll und ganz die Analyse des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, erklärte sie, wonach die Kür des Bundespräsidenten keinerlei Konsequenzen für die Bundestagswahl habe. Einem positiven Schub durch ihre Wahl stehe das Risiko einer neuerlichen Rote-Socken-Kampagne gegenüber - wobei ein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene selbstverständlich ausgeschlossen sei. Mit einer neuerlichen großen Koalition oder einem Ampelbündnis sei sie hingegen "kompatibel", sagte Schwan.

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