Terrorprozess in Stuttgart-Stammheim: Geständnisse eines Traumatisierten

In Stuttgart-Stammheim geht ein bemerkenswerter Prozess gegen angebliche Unterstützer der DHKP-C zu Ende: Einige Angeklagte wurden in türkischen Gefängnissen gefoltert.

Die fünf Angeklagten im Oberlandesgericht Stuttgart. Bild: dpa

STUTTGART taz | Nein, es sei kein Geständnis, was sein Mandant Mustafa A. am Montag im Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim verlesen hat, sagt Anwalt Heinz-Jürgen Schneider. Auch wenn vor allem türkische Medien das berichteten. Es geht in diesem Prozess um fünf Männer, denen vorgeworfen wird, mit der türkischen DHKP-C eine terroristische Organisation zu unterstützen. Ihr werden in der Türkei Sprengstoff- und sogar Selbstmordattentate vorgeworfen.

Drei Angeklagte werden nach Absprachen zwischen Gericht, Bundesanwaltschaft und Verteidigern nach der gestrigen Erklärung noch in diesem Jahr aus der Haft entlassen. Für den 52-jährigen Mustafa A. ist eine Höchststrafe von fünf, für Ilhan D. von dreieinhalb und für Hasan S. von zwei Jahren und elf Monaten vereinbart. Davon wird die Dauer der Untersuchungshaft abgezogen, der Rest zur Bewährung ausgesetzt.

Das endgültige Urteil über die drei will das Gericht im August sprechen. Devrim G. und Ahmet Y. haben keine Erklärungen abgegeben, das Verfahren gegen sie läuft erst einmal weiter.

"Ich bin Sozialist", begann Mustafa A. seine Erklärung. Er sprach davon, sich gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei einzusetzen und sagte, er kenne das Programm der DHKP-C. Für Gericht und Anklage ein Geständnis nach Paragraf 129b des Strafgesetzbuches - Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Unterstützer der DHKP-C gibt es in Deutschland nach Angaben von Oberstaatsanwältin Becker-Klein Hunderte. Die meisten halten die DHKP-C für eine politische Vereinigung und kennen weder Ziele noch Organisation genauer - anders als offensichtlich Mustafa A., der als Teil der "Rückfront" der Organisation unter anderem Spendengelder gesammelt und Aktivisten angeheuert haben soll.

Der Zeuge für einen angeblichen Waffentransport war im Prozess ein umstrittener Doppelagent des türkischen Geheimdienstes in psychiatrischer Behandlung. Er dürfte beim Urteil eine untergeordnete Rolle spielen.

Keine Rolle beim Strafmaß wird wohl auch die Vita des Mustafa A. spielen: Erstmalig verhaftet wurde er nach dem Militärputsch in der Türkei im September 1980, bis März 1990 saß er ohne Gerichtsurteil in neun Gefängnissen. Er berichtet von schweren Folterungen in den türkischen Gefängnissen. Scheinhinrichtungen, Elektroschocks, bei denen Strom zwischen Finger und dem Geschlechtsteil fließt, sexuelle Demütigungen, Aufhängen an hinter dem Rücken zusammengeschnürten Händen.

Von 1992 bis März 2000 saß er erneut, weil er gegen die Auflage verstoßen haben soll, nicht mehr politisch aktiv sein zu dürfen. Danach flieht er nach Deutschland und erhält wegen der jahrelangen Folterhaft Asyl. Mustafa A. leidet nach eigenen Angaben in deutscher Haft unter flashbackartigen Erinnerungen an die Folter. In Deutschland verhafteten ihn die Ermittler in einer Reha-Klinik nach einer Bypass-Operation.

Die Verteidigung behauptete stets, Mustafa A. sei nicht verhandlungsfähig. Auch der Angeklagte Hasan S. berichtet davon, bereits als 15-Jähriger in türkischer Haft gefoltert worden zu sein. Die Anwälte kritisieren nun vor allem die Zusammenarbeit deutscher und türkischer Behörden. So stellte sich während des Prozesses heraus, dass der als Zeuge geladene Ermittler Serdar B., Mitglied einer türkischen Anti-Terror-Einheit, in seinem Land gerade selbst einen Prozess wegen Folter am Hals hat. Erkenntnisse über Ziele und Aufbau der DHKP-C stammen laut Anwälten von der türkischen Staatssicherheitspolizei, die ebenfalls unter dem Vorwurf steht, Gefangene zu foltern.

Die Bundesanwaltschaft beruft sich nun allerdings auf niederländische Ermittler, die 2004 umfangreiches Material der DHKP-C in Europa beschlagnahmt haben. Darin sollen bestimmt Decknamen von Aktivisten Mustafa A. zugeordnet werden können. Er selbst sagt, er wolle vor allem aus gesundheitlichen und psychischen Gründen so schnell wie möglich in Freiheit.

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