Autor über Steuerprüfer: "Steuerflucht ist ein täglicher Skandal"
Den Steuerbehörden fehlen Prüfer, sagt Autor Sascha Adamek. Das sei politisch auch so gewollt.
taz: Herr Adamek, jährlich verliert der Staat Milliarden Euro, weil die Reichen kaum Steuern zahlen. Warum spielt dieser Skandal im Wahlkampf keine Rolle?
Sascha Adamek: Die Steuerflucht ist ein struktureller Skandal, der sich täglich wiederholt. Solche Themen haben es in den Medien immer schwerer als so eine Sommeraffäre wie Ulla Schmidts Dienstwagen.
Die Finanzkrise wird für den Staat sehr teuer. Wieso haben die Politiker kein Interesse daran, die Steuerflucht einzudämmen?
Die Steuerverwaltung ist leider Ländersache. Und viele Landesregierungen sehen es als Standortvorteil, reiche Bürger ungeschoren zu lassen. Uns sind interne Anweisungen zugespielt worden, dass die Finanzämter Firmen am besten nicht kontrollieren sollen. Die Länder konkurrieren untereinander, wer die Millionäre und Unternehmen am schonendsten behandelt.
Nach Ihren Recherchen haben Sie ja jetzt den Überblick: Welche Tricks sind besonders beliebt, um Steuern zu hinterziehen?
Wer zum Beispiel in Süddeutschland wohnt und sein Geld verstecken will, muss nur in einen großen Fonds in Berlin einzahlen. Die Finanzämter dort haben gar nicht das Personal, um die vielen Fonds-Eigner im Computer zu erfassen. Zudem fielen die Steuern ja nicht in Berlin an, sondern in Bayern oder Baden-Württemberg. Warum also sollte sich Berlin die Arbeit machen, die Fonds genauer zu untersuchen? Das Land hätte nur die Kosten, aber nicht den Ertrag. Das erklärt auch, warum Fonds immer noch so beliebt sind, obwohl sie offiziell nicht mehr steuerbefreit sind.
Vermögende können ja auch ganz legal steuern sparen. Müssen sie das Finanzamt denn überhaupt austricksen?
Bei unserer Recherche haben wir tatsächlich jemanden getroffen, der offen damit prahlt, dass er Immobilien im Wert von 5 Millionen Euro besitzt - aber im Jahr nur 2.300 Euro Steuern zahlt. Selbst ein Fitnesstraining für Reiche wird da noch als berufliches "Coaching" deklariert. Jede normale Familie mit zwei Kindern zahlt viel mehr Steuern, weil Arbeitnehmer fast nichts absetzen können.
Wenn Sie Kanzler wären, was würden Sie als Erstes ändern im deutschen Steuersystem?
Wenn ich Kanzler wäre, würde ich lieber Steuern zahlen als jetzt - weil ich ein gerechtes Steuersystem durchsetzen würde. Aber im Ernst: Als Erstes würde ich die Personalausstattung in den Finanzämtern verbessern. Momentan fehlen ihnen 3.000 Betriebsprüfer und 1.000 Steuerfahnder. Dabei würde jeder Prüfer im Jahr etwa 1,5 Millionen Euro bringen. Die Finanzämter sind so überlastet, dass sie immer wieder "Durchwinkwochen" einlegen müssen. Von der Amtsleitung heißt es dann: "Jetzt setzt euch mal die Sonnenbrille auf!" Das heißt, dass dann die Steuererklärungen ungeprüft abgesegnet werden. Davon profitieren dann vor allem wieder die Vermögenden und Selbständigen, denn bei den Arbeitnehmern wird die Lohnsteuer ja schon vorab vom Arbeitgeber abgezogen.
Leser*innenkommentare
Juergen K.
Gast
Ob Ackermann die geschenkte Party wohl in seine Steuererklärung einträgt ?
Ob die anderen 30 Geladenen das wohl tun ?
Gert Fiedler
Gast
ich kann nur sagen Saustaat
Das müsste mal die Kanzlerin Lesen aber die interessiert das wahrscheinlich auch nicht
hauptsache die Harz4 Empfänger werden ordentlich überprüft
Rüdiger Kalupner
Gast
Die 6%-Wachstumsabsturzkrise erzeugt eine staatliche Finanzierungskrise größten Ausmaßes, die n u r durch eine 'öko-KREATIVE' Steuersystemrevolution (= Energie- und Sachkapitalsteuern statt Einkommen- und Mehrwertsteuern) incl. einem ergänzten wirtschaftlichen Steuerungssystem beendet werden kann. Der geschichtliche Vergleich unserer Lage liegt auf der Hand. Es ist der Staatsbankrott von Ludwig XVI. anno 1789 mit seinen gesellschafltichen Turbulenzen, die man Französische Revolution nennt.
Mit ein bischen Wissen über Evolutionsprozess-Physik und den beiden Steigerungspfaden - dem konfliktkämpferischen und dem konfliktauflösenden, kreativen Akzelerationspfaden - würde man den derzeitigen Epochenwechsel von dem ersten auf den zweiten Akzelerationaweg konkretisieren und sich vorstellen können.
Aber wer denkt in den Medienredaktionen so weit oder schreibt über das Naheliegende und Zwingende? Die journalistische Phantasie reicht nicht bis zum absehbaren Absturz des Wachstumszwang-Absolutismus der Kapitalstockmaximierer (= Kapitalismus)und zu seinen weltgeschichtlichen Ergebnissen, die ebenfalls so zwingend wie genial einfach sein werden.
Wäre ich in Berlin, könnte ich dem Phantasiemangel der Diskutanten am Mittwoch, 26. 8., ab 19.30 Uhr im Berliner taz-Café in Sachen ' öko-KREATIVE Steuersystemrevolution' abhelfen. Wer googelt, wird fündig werden.