Frankfurter Buchmesse: Kritische Schriftsteller unerwünscht

Bei der einzigen Vorab-Veranstaltung, die die Buchmesse gemeinsam mit den chinesischen Partnern organisierte, kamen Dissidenten nicht aufs Podium.

Der Buchmessen-Direktor Jürgen Boos (l) und der ehemalige chinesische Botschafter in Deutschland, Mei Zhaorong, während des Symposium. Bild: dpa

Nach den Ankündigungen der vergangenen Tage war der Eklat auf dem China-Symposium zu erwarten: Als die Dissidenten am Samstag die Rednerbühne betraten, verließ ein Großteil der chinesischen Delegation den Saal. Bereits zuvor hatte das Symposium "China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit" im Vorfeld der diesjährigen Frankfurter Buchmesse zu Aufregung geführt, da Podiumsgäste zunächst ein-, dann wieder ausgeladen wurden.

Bei der einzigen Veranstaltung, die die Buchmesse gemeinsam mit den chinesischen Partnern organisiert, waren Kritiker unerwünscht. Der Umweltjournalistin Dai Qing und dem Exilschriftsteller Bei Ling wurden auf Druck des chinesischen "Amtes für Presse und Publikation" (GAPP) nahegelegt, doch nicht zu kommen. Beide waren nun als Zuschauer angereist.

Jürgen Boos, Direktor der Buchmesse, verbuchte die große mediale Resonanz des Symposiums als Erfolg: "Wir haben es geschafft. Wir haben eine Öffentlichkeit, die wir uns immer gewünscht haben." Der Weg dahin allerdings sei so nicht gewünscht gewesen. In den letzten Jahren seien lediglich rund 150 Teilnehmer zu den Symposien gekommen, in diesem Jahr hatten sich 300 angemeldet. Allein - der Eindruck permanent lavierender Gastgeber, die den Umgang mit ihrem Ehrengast China noch üben, beherrschte auch das Symposium, auf dem sich Boos mehr als einmal wegen mangelhafter Kommunikation und daraus resultierenden Missverständnissen bei seinen Gästen entschuldigte.

Denn auch die Statements von Dai und Bei waren nicht abgesprochen, was zum Auszug der Delegierten führte. Boos und sein Mitveranstalter, der Generalsekretär des deutschen PEN-Zentrums Herbert Wiesner, wirkten überrascht und konsterniert. Doch auch die beiden Autoren hatten offensichtlich nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet: Für den Fall der Anwesenheit der chinesischen Delegation hatte Dai eine Rede der Freude über ein modernes, auseinandersetzungsfreudiges China vorbereitet - der Anlass dafür war nun zur Tür hinausgegangen.

Die Konfliktlinien, die beseitigt werden sollten, lagen offen. So beklagte sich der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland, Mei Zhaorong, über die Kälte, mit der sie empfangen wurden, sowie über mangelnden Respekt seitens der Gastgeber: "Wir sind nicht gekommen, um uns in Demokratie belehren zu lassen."

Einige chinesische Podiumsgäste ließen keine Gelegenheit aus, Witze über die Demokratie zu machen - bis der Journalist Shi Ming darauf hinwies, dass hier gar keine kulturelle Differenz bestehe, denn Demokratie sei auch das erklärte Ziel der Kommunistischen Partei. "Die Frage ist doch: Warum geschieht es seit 60 Jahren nicht?" Schließlich feiert am 1. Oktober die Volksrepublik ihr 60-jähriges Bestehen.

Nach dem dramatischen Auftakt kam inhaltlich kaum Neues zur Sprache. Dais wiederholte Fragen aus dem Saal nach Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Presse wurden kurz abgekanzelt. Aus den Beiträgen zu Diskussionsthemen wie dem Selbst- und Fremdbild Chinas entstand das (nicht eben neue) Bild eines Landes im Aufbruch, das, von der Geschwindigkeit der eigenen Entwicklung überrascht, sich nicht auf allen gesellschaftlichen Feldern gleichzeitig entwickeln kann.

Doch kann die Konsequenz sein - wie Mei durchaus unironisch mit Bertolt Brecht einforderte-, dass eben zuerst das Fressen komme, dann die Moral? Auch der Wissenschaftler Zhang Yunling wies im Schlusswort am Sonntag darauf hin, dass es erst darum gehe, die 1,3 Milliarden Chinesen satt zu bekommen, bevor man fragen könne: "Was ist ein gutes Leben?"

Es bleiben, wie Moderator Harald Müller von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung zusammenfasst, zwei Lektionen: "Eine an China: Der Umgang mit Dissidenten wirkt auf unser China-Bild. Und eine an den Westen: Jedes Land hat das Recht, seinen eigenen Entwicklungsweg zu wählen."

Mitveranstalter Wiesner zeigt sich zufrieden: "Das Symposium hat eine positive Entwicklung genommen" - schließlich sei es nach dem Protest gelungen, die chinesische Abordnung und die beiden Dissidenten in einen Raum zu bekommen.

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