Gegen die globale Erwärmung: Indiens neuer Klimakampf

Die Regierung in Delhi entdeckt die Klimapolitik als neues Feld ihrer moralischer Überlegenheit gegenüber dem Westen - und kommt ihm deshalb entgegen.

Der Klimawandel hat auch Indien erreicht: Ein Bauer geht durch ein verdorrtes Reisfeld im Bundesstaat Assam. Bild: dpa

Indien bewegt sich in der Klimafrage. Gegen alle vorherigen Bekundungen will der viertgrößte Klimagasproduzent der Welt international verifizierbare Kontrollen seiner angestrebten CO2-Emissionsreduzierungen zulassen. Indien würde sich ähnlich strikten Kontrollmechanismen unterwerfen, wie sie heute bei Welthandelsorganisation und Internationalem Währungsfonds gelten, sagt der indische Umweltminister Jairam Ramesh. Nach dem G20-Gipfel in den USA habe er neue Instruktionen von Premierminister Manhoman Singh erhalten, wonach "die Wahrnehmung Indiens bei den Klimaverhandlungen sich ändern solle".

Bisher sah die Regierung in Delhi bei den Vorbereitungen auf die internationale Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember wie ein Blockierer aus. Internationale Kontrollen hatte sie immer wieder als Einmischung in innere Angelegenheiten abgetan. Von verbindlichen Zielen für die Emissionsreduzierung wollte sie nichts wissen.

Doch nun bewegt sie sich auch bei diesem Thema: Indien könne in Kopenhagen "implizite" CO2-Reduktionsziele akzeptieren, indem es sich verpflichte, einen nationalen Klimaplan mit konkreten Zielen zu verabschieden und international verifizierbar zu machen, erklärte Ramesh.

Das indische Entgegenkommen hat viele Gründe. Der aktuellste ist die neue Popularität der Klimapolitik, seit in diesem Sommer im zweiten Jahr in Folge die beliebte Monsun-Regenzeit ausfiel. Nicht nur ging vielen Bauern die Sommerernte verloren. In den großen Städten Nordindiens herrschte eine ungewohnte, andauernde Hitze, die auch dem letzten Zweiflern klarzumachen schien, dass der Klimawandel auch hier stattfindet.

Auch kann die Regierung nach Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans gegen Klimawandel vor zwei Jahren erste Ergebnisse vorweisen. Man hat errechnet, dass die Energieeffizienz pro Einheit des Bruttosozialprodukt in Indien genauso hoch ist wie in Deutschland. Eine Überraschung, denn Entwicklungsländer verschwenden normalerweise Energie aufgrund fehlender Technologie.

Doch Indien hat seine Vorzeigebranchen. "Im Software-, Stahl- und Zementbereicht ist unsere Energieeffizienz überdurchschnittlich hoch", sagt Kushal Yadav, Klimaexperte beim unabhängigen Center for Sciene and Environment (CSE) in Delhi. Kushal lobt auch den im Rahmen des Aktionsplanes vorgesehenen Ausbau der Solarenergie: "Ein Zehn-Prozent-Anteil der Solarenergie bis 2030: Das ist das ehrgeizigste Solar-Ziel der Welt", sagt Yadav. Der Experte glaubt, dass Indiens Klimamaßnahmen heute schon weit über das in Kopenhagen geforderte Soll hinausgehen: "Indien macht viel mehr als nötig." Yadav, der als CSE-Vertreter einer wichtigen NGO angehört, klingt fast wie ein indischer Regierungssprecher.

Dahinter steckt Strategie. Die NGOs überall auf der Welt wollen den Westen in Kopenhagen unter Druck setzen. Indien und China sollen nicht mehr als klimafeindliche Sündenböcke dienen können. Deshalb nimmt das CSE jedes neue indische Regierungsversprechen begeistert auf.

Zugleich begreift die seit Juni amtierende, neuformierte indische Regierung mit Hilfe der NGO täglich besser, wie erfolgreich sie Klimapolitik betreiben kann. Sie hat mit Ramesh einen heimischen Polit-Star zum Umweltminister gekürt, der den Westen rhetorisch geschickt angreift: "Wir haben Entwicklungsemissionen - ihr habt Lifestyle-Emissionen", sagt Ramesh.

Delhi hat die Klimapolitik zudem als Thema erkannt, mit dem es als Mitglied der neuen aufgewerteten G 20 punkten kann. Auch weil Indien die geringste Pro-Kopf-CO2-Emission unter den zehn größten Wirtschaftsnationen verzeichnet. Früher war es die Blockfreien-Politik, mit der Indien den Westen ärgerte. Ab jetzt wird es die Klimapolitik sein, mit der sich Delhi aufs hohe Ross schwingt.

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