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Interview mit Grünen-Haushälter Jochen Esser"Wowereit hat nur Wahlkampf im Kopf"

Grünen-Haushälter Jochen Esser kritisiert, dass es erst 2011 mehr Geld für Landesbeschäftigte geben wird. Für ihn ist das nur ein durchsichtiges Geschenk zur Berlin-Wahl im Herbst kommenden Jahres

Interview von Stefan Alberti

taz: Herr Esser, was sagen Sie als grüner Haushaltspolitiker zum Tarifkompromiss?

Jochen Esser: Das ist schon bemerkenswert - der Regierende Bürgermeister hat wohl nur noch Wahlkampf im Kopf.

Was hat Wahlkampf mit der Tarifeinigung zu tun: 3,1 Prozent mehr ab August 2011?

Ist doch ganz klar: So zahlt das Land in diesem Jahr erst mal nichts und spart dadurch an die 50 Millionen Euro. Und nächstes Jahr gibt es dann pünktlich kurz vor der Abgeordnetenhauswahl im Herbst mit 3,1 Prozent die dicke Ladung. Das ist ziemlich durchsichtig. Was die Sache ab 2012 kostet, müssen dann andere auslöffeln.

Wenn es am Ende aufs Gleiche rauskäme, ist der Zeitplan doch finanztechnisch gesehen egal.

Das ist mir nicht egal. Man hätte schon in diesem Jahr den ersten Schritt zur Gehaltsangleichung machen sollen. Das wäre für die Beschäftigten besser und auch konjunkturpolitisch sinnvoll.

Wenn dem so ist, dann hätten sich die Gewerkschaften ja nicht darauf einlassen müssen.

Warum die das mitmachen, ist mir wirklich schleierhaft.

Hat der ausgelaufene Solidarpakt - Hintergrund des Tarifstreits - irgendetwas gebracht?

Kurzfristig gesehen schon. Weil das Land zunächst deutlich weniger für Personalkosten ausgeben musste, war auch wieder Liquidität da. Das war tatsächlich eine vorübergehende Entlastung, sonst wären eine höhere Verschuldung nötig gewesen und damit höhere Zinszahlungen.

Also ein Erfolg für Rot-Rot?

Nicht auf lange Sicht. In den meisten Fällen haben die Beschäftigten zwar weniger verdient, aber nicht weniger gearbeitet, obwohl das so gedacht war. Diese Mehrarbeit ist überwiegend auf einem Lebensarbeitszeitkonto verbucht und muss vor der Verrentung finanziert werden. Der Solidarpakt war ja quasi nur eine Vorfinanzierung für die Hälfte des vereinbarten Personalabbaus in Höhe von 1 Milliarde Euro.

Das heißt, binnen der Laufzeit des Solidarpakts hätten doppelt so viele Leute ausscheiden sollen, wie man eben mit 500 Millionen Euro bezahlen kann, der damaligen Einsparung?

Genau. Doch dieser Personalabbau ist eben noch nicht abgeschlossen. Sind wirklich an die 30.000 Vollzeitstellen seit 2002 abgebaut worden? Rechnen wir mit Erzieherinnen oder ohne? Mit Personalüberhang oder ohne? Deshalb gibt es auch den Streit bei Rot-Rot über den noch erforderlichen Personalabbau.

Was kostet das Berlin noch?

Zunächst kostet uns die Rückkehr zum alten Stand vor dem Solidarpakt im Doppelhaushalt 2010/2011 gut 300 Millionen Euro. Welches Volumen noch auf den Arbeitszeitkonten liegt und was davon muss ersetzt werden muss - ganz genau kann Ihnen das vermutlich niemand sagen. Das macht die Sache so bedenklich. INTERVIEW: STEFAN ALBERTI

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