Soziale Stadt: Interview mit Gesobau-Chef: "Wir halten uns an das Vergaberecht"

Bei der Howoge ist zuletzt einiges schiefgelaufen, sagt Jörg Franzen, Chef der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Die würden immer wichtiger, um sozial schwache Kieze zu stabilisieren.

Bauaufträge hat die Howoge nicht immer korrekt vergeben Bild: ap

taz: Herr Franzen, sind Sie froh, dass Sie dieser Tage nicht auf dem Chefsessel der Howoge sitzen?

Jörg Franzen: Ja.

Jörg Franzen, 44, ist Diplombetriebswirt und seit 2006 einer von zwei Vorständen der Gesobau. Die landeseigene Gesellschaft betreut 37.000 Wohnungen.

Das Schlagwort "Gentrifizierung" ist in aller Munde. Jahre nach der Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus wird wieder über Wohnungspolitik und soziale Stadtentwicklung diskutiert. Die taz widmet sich mit einer Serie dem Thema "Soziale Stadt". Wie funktioniert die Gentrifizierung? Und wie kann eine soziale Wohnungspolitik sinnvoll eingreifen?

Bereits erschienen sind eine Bilanz der rot-roten Mietenpolitik (19. 12.), ein Text über Baugemeinschaften (23. 12.), eine Reportage über den Hackeschen Markt, wo die Verdrängung von Mietern und kleinen Geschäften besonders deutlich ist (30. 12.), eine Analyse der Auswirkungen der Hausbesetzungen in Ostberlin kurz nach dem Mauerfall (31. 12.) das Interview mit einem Hausverwalter aus Nordneukölln (5. 1.), ein Plädoyer für Mietobergrenzen (15. 1.), ein Bericht über Möglicheiten und Grenzen von Quartiersmanagement und Schulpoltik im Wedding (22. 1.), eine Betrachtung von edlen Wohnprojekten für die Mittelklasse (27. 1.) und das Portrait des langjährigen Chefs des Berliner Mietervereins Hartmann Vetter (5.2.).

Warum?

Bei der Howoge ist anscheinend in den letzten Wochen einiges unglücklich gelaufen. Wenn ich auf dem Chefsessel der Howoge sitzen würde, dann hätte ich einiges anders gemacht. Aber in der jetzigen Situation mit den Kollegen zu tauschen würde mir nicht gut gefallen.

Auch weil Sie dann um Ihren Chefsessel fürchten müssten?

Inzwischen hat sich ja auch Finanzsenator Nußbaum zu Wort gemeldet. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

Die Vorwürfe an die Howoge lauten, sie habe Aufträge direkt an Büros wie das des SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg vergeben und sich mit dessen Hilfe als Baupolitiker auch um den Neubau einer Turnhalle in Pankow als Generalübernehmer beworben. Sind solche Vorgänge bei der Gesobau ausgeschlossen?

Anders als die Howoge sehen wir uns tatsächlich als öffentlicher Auftraggeber. Entsprechend agieren wir auch. Da gibt es interne Richtlinien, an die sich alle halten müssen. Wir haben unsere Einkaufsabteilung abgekoppelt von allen bestellenden Bereichen. Und natürlich halten wir uns an das Vergaberecht. Ab den vorgeschriebenen Schwellenwerten wird ausgeschrieben.

Wie viele Aufträge hat die Gesobau an die Firma von Hillenberg vergeben?

Das stellt unsere Revision derzeit zusammen. Nach dem jetzigen Kenntnisstand sind es fünf Aufträge, in denen er gegenwärtig bei uns tätig ist. Da hat er als Wettbewerber auf dem Markt den Zuschlag bekommen, und als solchen sehen wir ihn auch. Wir sind mit seiner Leistung grundsätzlich zufrieden. Ich hab es nie so gesehen, dass jemand, der im Abgeordnetenhaus sitzt, Berufsverbot hat. Egal ob er SPD- oder CDU-Mitglied ist. Ich selbst habe übrigens kein Parteibuch.

Der Fall der Pankower Turnhalle zeigt, wie Parteipolitik und Akquise für einen Auftraggeber ineinander übergehen können.

Herr Hillenberg hat mich wegen der Turnhalle in Pankow auch angesprochen. Mehrfach sogar. Wir haben das abgelehnt. Es ist nicht unsere Aufgabe, als Generalübernehmer Turnhallen zu bauen. Unsere Kernaufgabe ist die Bewirtschaftung von Wohnungen.

Ein anderer strittiger Punkt sind die Wohnungen in Buch, wo die Mieten nach der Sanierung drastisch steigen sollten. Diese Wohnungen wurden von der Gesobau im vergangenen Jahr an die Howoge verkauft. Welche Rolle spielte dabei das Land als Anteilseigner?

Wir sind zwar ein Beteiligungsunternehmen, aber auch eine Aktiengesellschaft. Aktienrechtlich bin ich als Vorstand wie auch der Aufsichtrat dem Unternehmen verpflichtet und nicht dem Land Berlin. Also kann ich keine nachteiligen, erzwungenen Geschäfte machen, die für das Unternehmen nicht gut wären. Aber natürlich gab es Gespräche mit dem Senat über die Zukunft der Bestände in Buch. Wir haben uns dann entschieden, dass wir uns auf die Investitionen in unsere restlichen Bestände konzentrieren. Der Kaufpreis der Howoge war übrigens nicht überhöht, er entsprach dem Verkehrswert, den ein Gutachter ermittelt hat.

In die energetische Sanierung im Märkischen Viertel investiert die Gesobau insgesamt 440 Millionen Euro. Für die Mieter wird das annähernd kostenneutral sein. In Buch wollte die Howoge nach einer solchen Sanierung die Mieten ursprünglich verdoppeln. Was kann die Gesobau, was andere nicht können?

Nichts. Das Besondere am Märkischen Viertel war der bauliche Zustand vor der Modernisierung. Die Nebenkosten waren extrem hoch. Nach der Sanierung werden sie sich um die Hälfte verringern. Das entspricht etwa der Umlage der Modernisierungskosten auf die Kaltmiete. Bei den Beständen, die wir in Pankow sanieren, werden die Einsparungen weitaus geringer sein.

Auch die Gesobau hat da Modernisierungsankündigungen mit Kaltmieten verschickt, die teilweise 1 Euro über dem Mietspiegel lagen.

Unsere Strategie ist, dass wir bei unseren Modernisierungen nur Komplettmaßnahmen machen. Wenn, dann also alles richtig. Also nicht nur energetisch, sondern auch neue Bäder, neue Küchen usw. Bei dem Beispielobjekt in Pankow kommt bei 39 Wohnungen noch der Neubau eines Balkons dazu. Dem haben derzeit 80 Prozent der Mieter zugestimmt. Natürlich sind wir bemüht, auch nach der Modernisierung und der 11-prozentigen Umlage den Mietspiegel einzuhalten. Aber immer geht es leider nicht. Dann stehen wir vor der Wahl, entweder leicht darüber zu liegen oder eben nicht zu sanieren. In jedem Fall sprechen wir aber mit allen Mietern und finden immer sozial verträgliche Lösungen.

Die SPD hat sich als Regierungspartei vor wenigen Wochen auf ihrer Klausurtagung in Eisenach dafür ausgesprochen, mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften eine mieterfreundliche Politik zu machen. Hören Sie so etwas gern?

Das ist in der Tat eine Herausforderung. Der Finanzsenator will, dass wir wirtschaftlich arbeiten. Die Umweltsenatorin will, dass wir klimafreundlicher werden. Die Stadtentwicklungssenatorin will, dass wir den Mietspiegel einhalten. Und nun werden wir als Wahlkampfthema auserkoren. Solche Probleme haben die Gesellschaften, die das Land einmal verkauft hat, nicht. Die haben viel größere Wirtschaftlichkeitsansprüche als die landeseigenen. Bei uns liegen diese bei 6 Prozent Rendite.

Vor dem Hintergrund der Mietankündigungen der Howoge kommt von der Opposition trotzdem immer wieder der Vorwurf, die landeseigenen agierten nicht anders als die privaten Wohnungsunternehmen.

Schauen Sie sich die Investitionen an: Die private Gagfah hat in den letzten Jahren 6,80 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche investiert, die Gesobau plant in den nächsten Jahren zwischen 35 und 50 Euro pro Quadratmeter. Das braucht man auch, wenn man den Bestand von der Instandhaltung und der energetischen Sanierung her auf den Stand bringen will, der gefordert ist.

Sie sind 2006 in den Vorstand der Gesobau gekommen, also noch vor den Abgeordnetenhauswahlen. Damals stand ein Verkauf der Gesobau zur Debatte, verhindert wurde er erst nach dem Koalitionsvertrag. Sind sie froh darüber?

Ich kam von einem Unternehmen, das veräußert worden ist. Anderthalb Jahre nach dem Verkauf bin ich da weggegangen. Es war einfach unbefriedigend, bei der Gagfah zu arbeiten, einem Unternehmen mit Private-Equity-Hintergrund, also ganz kurzfristigen Strategien. Eine Wohnimmobilie muss man aber langfristig und nachhaltig betrachten.

Herr Franzen, Stichwort "soziale Stadt" - was bedeutet das für Sie ganz persönlich?

Als ich vor vier Jahren nach Berlin kam, ist mir noch mal deutlich geworden, wie spannend Berlin ist - aber auch, welche sozialen Probleme es hat. Da muss aktiv entgegengewirkt werden. Das aber können sich die Kommunen immer weniger leisten. Umso wichtiger sind die städtischen Wohnungsunternehmen. Ohne uns wäre die Situation in einigen Kiezen tatsächlich sehr viel brisanter. Wir stabilisieren. Wir haben - etwa im Märkischen Viertel - auch Aufgaben der Kommune übernommen.

Wie auch die Degewo, die im Brunnenviertel im Wedding einen Schulverbund ins Leben gerufen hat.

Das ist im Märkischen Viertel nun ein Thema für den Stadtumbau West.

In anderen Städten wie Stuttgart agieren die städtischen Unternehmen auch als Investor, zum Beispiel bei der Nachverdichtung von Großsiedlungen mit Einfamilienhäusern.

Das kann langfristig ein Thema werden. Aber derzeit müssen wir noch unsere Leerstände stärker abbauen. Allerdings beteiligen wir uns mit unseren Grundstücken auch am Vergabeverfahren an Baugruppen.

Welchen Ort zum Wohnen haben Sie sich in Berlin ausgesucht?

Ich bin dahin gezogen, wo fast alle Neuberliner hingehen - nach Prenzlauer Berg.

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