Mieterhöhungen: Sondersteuer für Arme

Netzwerk "Recht auf Stadt" und der Verein "Mieter helfen Mietern" machen gegen Mieterhöhungen bei der Saga-GWG mobil.

Zumindest die Mieter der Saga-GWG sind sich einig: Profit kann nicht alles sein. Bild: dpa

Der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga-GWG weht eine steife Brise entgegen. Mit einer Mieterversammlung am Donnerstag wollen das Anti-Gentrifizierungs-Netzwerk "Recht auf Stadt" sowie der Verein "Mieter helfen Mietern" (MhM) Widerstand gegen Mieterhöhungen organisieren. "Wir wollen, dass der Konzern wieder seine soziale Verantwortung übernimmt", sagte Steffen Jörg von "Recht auf Stadt".

23.000 Saga-GWG-Mietern ist laut MhM im vorigen Herbst nur einen Tag nach Veröffentlichung des neuen Mietenspiegels, der maßgeblich durch die Mietenpolitik des städtischen Wohnungskonzerns geprägt worden ist, eine weitere Mieterhöhung angekündigt worden. Die Saga-GWG habe damit möglichst schnell den Mittelwert des Mietenspiegels erreichen wollen.

Während die Mieten auf dem freien Markt seit 2007 um 17 Prozent gestiegen seien, sagt Steffen Jörg vom Netzwerk, seien die Saga-GWG Mieten durchschnittlich um 33 Prozent erhöht worden. Einem Rentner, der seit 30 Jahre in seiner Wohnung lebe, sei die Miete um 158 Euro erhöht worden, berichtete MhM-Anwältin Christiane Hollander. Als er das nicht zahlen konnte, sei ihm nahegelegt worden, auszuziehen oder die Kinder zahlen zu lassen.

Die städtische Saga-GWG ist der größte Immobilienbesitzer dieser Stadt. 130.000 Wohnungen befinden sich zurzeit im Besitz des städtischen Unternehmens, jedoch nur noch 49.000 Sozialwohnungen.

Die Siedlungs-Aktiengesellschaft (Saga) ist 1922 von der Stadt Hamburg gegründet worden, um die sichere sozialverantwortliche Versorgung gerade der armen Bevölkerung mit Wohnraum sicherzustellen.

Der Trick 2005 kaufte die Saga die ebenfalls städtische Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GWG) und muss dafür 500 Millionen Euro in fünf Raten an die Stadt zahlen.

Sonderinvestitionsprogramm: Die 500 Millionen Euro fließen nicht in Instandsetzung des Wohnungsbestandes oder sozialen Wohnungsbau, sondern in die Finanzierung von Sonderprojekten wie Elbphilharmonie oder U-Bahn Hafencity.

Einen Gewinn von 106 Millionen erwirtschaftete die Saga-GWG 2008, immerhin 86 Millionen Euro waren es 2009.

Einer Rentnerin, so Hollander, die ihre Miete im Einvernehmen mit einem Saga-Sachbearbeiter wegen Schimmel um 20 Prozent gemindert hatte, habe plötzlich eine fristlose Kündigung erhalten: "Die Frau war fertig." Bei der Saga-GWG hat sich laut Hollander die Praxis durchgesetzt, bei zwei Monatsmieten Rückstand sofort zu kündigen, egal ob es eine Frau mit Kind sei, die in die Insolvenz geschlittert sei.

Ein rüdes Umgehen mit den Mietern beschreibt auch Christian G. aus Wilhelmsburg, der im "Weltquartier" der Internationalen Bauausstellung (IBA) lebt, wo zurzeit die Saga-GWG-Wohnungen umfangreich modernisiert werden. Oft würden Mieter nicht ausreichend oder gar nicht über die Folgen der Modernisierung informiert. "Erst wenn man laut schreit, passiert etwas", sagt G. So habe man Mietern mitten im Winter einen Duschcontainer draußen vor die Tür gestellt, weil die Wohnung modernisiert werden sollte.

Auch Ingrid G., die vor einem Jahr in eine Wohnung in St Pauli gezogen ist, ist wütend. Die Fassade des Hauses sei brüchig und das Dach undicht, die Wohnung sei heruntergekommen gewesen. Diese habe sie selber renoviert, zum Dank sei ihre Miete erhöht worden.

Einen Grund für die Probleme sieht Andy E. aus St. Pauli in dem Deal der Stadt 2005, die GWG durch die Saga aufzukaufen. Dabei wurde die Saga dazu verpflichtet, die halbe Milliarde Euro Kaufpreis in fünf 100-Millionen-Euro-Jahresraten in ein "Sonderinvestitionsprogramm" für die "Großmetropole Hamburg" zu zahlen. "Der Senat zwingt die Saga zu Mieterhöhungen", sagt G.

Diese "Sondersteuer" will sich auch Markus D. aus St. Pauli nicht gefallen lassen. "Die Saga ist im Besitz der Bürger, nicht in Besitz von Frau Hajduk oder Herrn Beust", erklärt er an die Adresse von Bausenatorin Anja Hajduk (GAL) und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gerichtet. "Wir sind nicht bereit", sagt Markus D., "mit unseren Mieten die Elbphilharmonie und die U 4 zu finanzieren".

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