Finanzierungsgutachten: Das Ende der Gebührenschnüffler

Die Öffentlich-Rechtlichen könnten bald von jedem Haushalt Beiträge einfordern. Das bisherige geräte-basierte Modell sollte abgeschafft werden, fordern Gutachter.

Für ein neues GEZ-Modell: Paul Kirchhoff will die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reformieren. Bild: dpa

BERLIN taz | Wenn Paul Kirchhof über das neue Finanzierungsmodell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten spricht, sieht er einen Fluss vor sich - mit Stromschnellen, die es zu überwinden gilt. Dafür müsse auf diesem Fluss eine "Mittellinie" gefunden werden, ein "verlässlicher Weg". Wie dieser Weg aussehen könnte, stellte der ehemalige Verfassungsrichter am Donnerstag in einem Gutachten vor.

Das stellt fest, dass "die gegenwärtige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" reformiert werden müsse. Seiner Vorstellung nach soll ab 2013 ein Beitrag pro Haushalt abgeführt werden, unabhängig davon, ob ein Empfangsgerät vorhanden ist oder nicht. Denn das Gerät sei "nicht mehr die richtige Bemessungsgrundlage". Die technische Entwicklung habe das bisherige Gebührenmodell überholt.

"Es zahlt jemand, weil er eine Leistung entgegennehmen darf, nicht weil er sie entgegennimmt", erläutert Kirchhof die juristische Besonderheit des Begriffs "Beitrag". Die sogenannte Haushaltsabgabe sei "tauglich im Massengeschäft", "leicht vollziehbar" und würde die "Grundrechte schonen", denn in der Wohnung nach Empfangsgeräten schnüffeln müsste dann keiner mehr - es muss eh jeder zahlen.

Eine Unterscheidung in der Beitragshöhe zwischen den Haushalten oder - wie aktuell noch praktiziert - den Fernsehbesitzern (17,98 Euro) und Nutzern von Radio und Internet (5,76 Euro) soll es nicht mehr geben. Nach dem Kirchhof'schen Modell müssten ab 2013, dem Start der neuen Gebührenperiode, alle den vollen Beitrag leisten - auch Empfänger von Arbeitslosengeld II. Deren Beitrag würde dann direkt von den Ämtern an die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) abgeführt.

Dass der Staat dann den (zumindest theoretisch) staatsfernen Rundfunk mitfinanzieren würde, sieht Kirchhof nicht. Für ihn ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass erstens alle zahlen und zweitens diejenigen, die mittellos sind, nicht von der "allgemeinen Informationsquelle" abgeschnitten werden.

Gerade die ostdeutschen Landesrundfunkanstalten RBB und MDR, die unter den vielen Befreiungen in ihren Sendegebieten leiden, könnten mit mehr Geld rechnen. Gleichwohl betont Kirchhof, dass "kein Euro mehr und kein Euro weniger" den Anstalten zur Verfügung stünde. Bisher nehmen sie knapp 7,3 Milliarden Euro jährlich ein.

Beiträge müssten Kirchhof folgend auch Gewerbebetriebe entrichten, hier allerdings gestaffelt: nach Unternehmensgröße oder den bereitgestellten Empfängern.

Carl-Eugen Eberle, der Justiziar des ZDF, nennt das Gutachten Kirchhofs "sehr überzeugend". Es sei eine "behutsame Fortentwicklung des bisherigen Systems" und würde alle "europa- und verfassungsrechtlichen Fragen lösen".

Kirchhof plädiert überdies für einen Werbeverzicht. Das würde die EU-Kommission wohl milde stimmen, das neue Gebührenmodell nicht abzulehnen. Doch Eberle wendet ein, dass sowohl ARD als auch ZDF an der Werbung im Programm festhalten wollen.

Zuvor hatte Kirchhof sein Gutachten der Rundfunkkommission der Länder vorgestellt. "Es tut sich was", will der Professor bei der Präsentation gemerkt haben. Dass die Begünstigten selbst den politischen Entscheidern eine Arbeitsgrundlage zur Erstellung eines neuen Finanzierungsmodells vorlegen, sieht Eberle nicht kritisch. Der Dissens über die Werbefreiheit zwischen Gutachter und Auftraggeber (ARD, ZDF und Deutschlandradio) ist für den ZDF-Justiziar Beleg genug für die Unabhängigkeit der Expertise.

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