Natur-, Mensch-, Systemkatastrophen: Lustig durch die Vulkanasche fliegen
Aschewolke, Ölpest, leere Kassen – wie reagiert der Konsument, was macht die Politik? Logisch: Weiterfliegen und fürs Atomkraftwerk agitieren.
BERLIN taz | Vulkanasche, Bohrloch, Finanzkrise. Der Mensch hat es nicht leicht dieser Tage. Urlaubsflüge müssen wegen des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull und seiner weiter durch den europäischen Luftraum ziehenden Aschewolke abgesagt werden. Dazu eine gigantische Ölverpestung im Golf von Mexiko: 800.000 Liter Öl sprudeln dank Beyond Petroleum (BP) seit vier Wochen täglich ins Meer. Sei dem Wochenende solls etwas weniger sein. Dazu der drohende Staatsbankrott Griechenlands und die Kreditsumme von 750 Milliarden Euro zur Rettung der europäischen Währung. Wo man hinschaut: Natur-, Mensch-, Systemkatastrophen. Und was sagt dazu der gemeine Mensch? "Erst wenn der letzte Baum und der letzte Fisch …" Von wegen.
Verschmitzt lächelt die Teenagerin und sagt: "Ich weiß, mein ökologischer Fußabdruck." Was sie sagen will? Nun, dass sie gerade mit dem Billigflieger von Dänemark nach Berlin gekommen ist. Übers Wochenende. Freundin besuchen, am Abend ins Konzert, The National. Am Montag wieder zurück zum Studieren nach Kopenhagen. Im Juni ein Wochenende zu einem Festival in die Eifel ("da muss ich hin"), dazwischen in den elterlichen Hafen Richtung Rhein. Dann Semesterabschlussparty, noch mal schnell zurück nach Kopenhagen. Danach Kenia, Afrika.
Sehr süß, dieser ökologische Fußabdruck. Denn den nimmt man so genau wahr wie ein havariertes Bohrloch in der Tiefsee des Golfs von Mexiko: Gar nicht. Genauso wenig wie die Ölfahnen, die die sagenhaften Techniker von Beyond Petroleum mit Chemikalien unbekannter Langzeitwirkung kilometerlang und kilometerbreit unter Wasser gedrückt halten. Auf dass die Ölbrühe für immer unsichtbar bei den Fischen bleibe und irgendwo draußen im Atlantik auf den Grund sinke.
Doch, verflixte Natur, derzeit drohen die Unterwasserschlieren mit der Meeresströmung aus dem Golf von Mexiko die Atlantikküste nordwärts hochzuziehen. Schon befürchtet man, sie könnten an der Ostküste der USA (New York, New Jersey?) anblubbern, dort die Strände auf breiter Front teeren.
Es ist ein gängiger Antiabstraktionsirrsinn zu glauben, so lange man nur nichts von den Katastrophen fühle und schmecke und sehe, existierten sie auch nicht. Wenn alles so weiter geht, wird eines Tages der Absturz folgen. Bis dahin mehr vom immer Gleichen.
Finanzkrise und Ölpest sind keine natürlichen Katastrophen wie der Ausbruch des isländischen Vulkans. Aber, dass man zwischen Wien und Berlin fliegt, weil die 500 Kilometer Luftlinie mit der Bahn eine Ewigkeit dauern, wer hats zu verantworten? Die Löcher im Golf von Mexiko und in den Staatshaushalten, vieles führt uns zu einer feigen Politik, die sich einfach den alten Geschäftsmodellen unterwirft, anstatt Alternativen zu organisieren (Finanzsteuern, Bahn, regenerativen Energien etc.)
Und in einem solchen Moment schreitet Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus auf den Plan. Er fordert, die aktuelle (Klima, Finanzen) mit der kommenden Katastrophe (strahlender Müll, zweites Tschernobyl) zu bekämpfen. Die deutschen Atomkraftwerke seien sicher. Und da sie nun mal da sind, könne man sie auch weiter laufen lassen und damit Haushaltslöcher stopfen. Fertige abgeschriebene Atomkraftwerke sind nämlich Gelddruckmaschinen, so lange nichts passiert.
Und wenn was passiert? Lustig durch die Vulkanasche fliegen, zu einem Zukunftskonzern wie Beyond Petroleum wechseln? Im Golf von Mexiko Plastikfische fangen. Heiligs Blechle, Herr Mappus!
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