KULTURPOLITIK: "Das Feld komplett gepflügt"

Carmen Emigholz über die Großbaustellen, private Ausfallbürgschaften und "nicht valide" Datensätze. Ein Rundumschlag vor dem letzten Viertel der Legislaturperiode

Bremen liegt keineswegs am Meer, hat aber eine "Seebühne". Und perspektivisch eine Doppel-Intendanz Bild: Archiv

taz: Frau Emigholz, was ist für Sie derzeit das größte Reizwort: CDU, Sonntagsöffnung der Bibliotheken - oder CDU?

Carmen Emigholz: CDU. Ich habe nichts gegen Vorschläge aus der Opposition. Aber wenn es sich dabei um bloße Personalkampagnen handelt, finde ich das ärgerlich.

Zumal Sie und der Bürgermeister dabei im Fokus stehen. Aber mit ihrem Vorstoß zur Sonntagsöffnung der Stadtbibliothek hat die CDU doch recht, oder?

Nein. Es gibt schlicht und einfach zwei widerstreitende Sichtweisen: Einerseits das Bedürfnis nach der Sonntagsöffnung, das vielfach von der Kulturszene geteilt wird, andererseits das Arbeitsrecht. Deswegen haben wir den Kompromiss gefunden, alle zwei Monate eine Sonntagsöffnung zu ermöglichen.

Vier mal pro Jahr am Wall, zwei mal in den Stadtteilen. Das ist sehr punktuell.

Die Frage ist aber auch, ob bei regelmäßiger Sonntagsöffnung tatsächlich so viel Publikumsinteresse vorhanden wäre. Die bisherigen Ausnahme-Öffnungen sind eventhaft und hatten deswegen großen Zuspruch.

Substantieller als CDU und Sonntagsfrage sind die Sparauflagen. Sie wollen 400.000 Euro unter anderem durch verzögerte Stellenbesetzungen und die Streckung kostenintensiver Maßnahmen aufbringen. Wie lange reicht eine solche Strategie des "Sparens im Bestand"?

Das hängt sehr von den wirtschaftlichen Erfolgen der Kultureinrichtungen ab. Das Schlüsselwort für uns heißt Personalmanagement. Man kann sich beispielsweise Funktionsstellen teilen. Es ist klar, dass wir ohne strukturelle Veränderungen keine Zukunftschance haben.

Denken Sie dabei an einen zentralen museumspädagogischen Dienst oder gemeinsame Restaurierungswerkstätten, wie das in anderen Städten praktiziert wird?

Zum Beispiel. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit und den Verwaltungsaufgaben könnte vieles zentral erledigt werden. Ich möchte das aber nicht im Rahmen einer eiligen Spardiskussion ansprechen, sondern diese Potentiale in Ruhe mit den Einrichtungen diskutieren. Dabei werden sie ihre Bedarfe deutlich machen. Mit dem Kulturrat ist verabredet, einen dialogorientierten Prozess einzuleiten.

Auch die CDU setzt mit ihrer Landestheater-Initiative auf so genannte Synergieeffekte ...

... was mich vor dem Hintergrund ihrer Magistratsverantwortung in Bremerhaven sehr verwundert. Die beiden Theater haben zu verschiedene Profile und Größenordnungen, als dass eine Fusion Sinn machen könnte. Auch die Wegzeiten der Arbeitnehmer würden zu lang. Ein Großteil der Arbeit fände auf der Straße statt.

Für die Bremer TänzerInnen gilt das schon länger. Soll deren Kooperation mit Oldenburg verlängert werden?

Das muss die Theaterleitung fachlich genau abwägen. Im Gegensatz zu Schauspiel und Oper müssen in der Regel keine aufwändigen Bühnenbauten hin und her transportiert werden. Kooperationen machen in jedem Fall Sinn, die Frage ist, wie diese ausgestaltet werden. Für die kommende Spielzeit ist verabredet, dass die Tanzstücke nach wie vor auch in der jeweils anderen Stadt gezeigt werden, man aber auf gemeinsame Produktionen verzichtet.

Mal mit 20 statt zehn TänzerInnen arbeiten zu können stellt doch genau den Mehrwert der Kooperation dar!

Unbestritten.

Zum Theater: Sie hatten bei der Genehmigung von "Marie Antoinette" im Aufsichtsrat unter anderem auf die private Ausfallbürgschaft verwiesen, durch die Bremen im Fall der Fälle abgesichert sei. Warum hat die trotz des finanziellen Desasters nicht gegriffen?

Die Grundlage für die Zahlung entfiel. Mehr darf ich öffentlich nicht sagen.

Warum nicht?

Dass ich diesbezüglich zu Verschwiegenheit verpflichtet bin, hängt mit dem Auflösungsvertrag des Intendanten zusammen, der naturgemäß bestimmte Schutzklauseln enthält.

Hans-Joachim Frey bleibt Chef der "Seebühne" an der Waterfront. Führt das nicht zu Überschneidungen mit den Verantwortlichen am Goetheplatz?

Herr Frey hatte auch schon für die früheren Seebühnen-Produktionen einen zusätzlichen Regievertrag. Für 2011 und 2012 hat er ebenfalls eine entsprechende Option. Letztlich jedoch entscheidet jeweils der Aufsichtsrat des Theaters, ob diese Projekte als finanziell tragfähig angesehen werden.

Das neue Fünfer-Gremium am Goetheplatz ist als Interimslösung installiert. Hätten Sie nicht mutiger sein können und offensiv mit einem kooperativen "Bremer Theatermodell" an die auch überregionale Öffentlichkeit gehen können?

Es steht Bremen in der Tat gut an, so etwas wie ein "demokratisches Theater" zu erproben. Die neue Leitung hat einen attraktiven Spielplan für 2010/11 vorgelegt und für ein sehr gutes Klima im Haus gesorgt. Das bedeutet aber nicht, dass wir nun das laufende Auswahlverfahren stoppen wollten. Darüber sind wir uns im Übrigen auch mit der Interims-Leitung einig.

Die schwierigste kulturelle Großbaustelle neben dem Theater scheint die Weserburg zu sein. Vor zwei Jahren wurden dort Entschuldigung und Neustart verkündet. Warum ist jetzt wieder alles im Fluss?

Weil sich die uns gelieferten Daten als nicht valide erwiesen haben. Unsere Analyse hat ergeben, dass der kulturfachliche Aufwand eines Hauses diesen Typs nicht allein mit dem Zuschuss der öffentlichen Hand gedeckt werden kann. Zudem muss der kaufmännische Bereich dringend neu aufgestellt werden. Derzeit erarbeitet das Haus mit Unterstützung des Bremer Ehrenbürgers Bernd Hockemeyer ein neues Konzept, das sowohl in künstlerischer wie auch in kaufmännischer Hinsicht eine solide Grundlage schaffen soll. Unser Haus unterstützt diesen Prozess sehr. Man muss aber sehen, dass die Weserburg eine privatrechtliche Stiftung ist. Wir haben nur einen begrenzten Spielraum, um Erwartungen zu definieren.

Ähnlich langwierig gestaltet sich der Umzug des Waller Medienzentrums mit dem Kino 46.

Alles, was mit baulichen Maßnahmen zu tun hat, erweist sich immer wieder als äußerst kompliziert. Die diversen Prüfvorgänge in Bezug auf das Medienzentrum füllen viele Ordner.

Und ab wann füllt sich das "City" als künftiges Kino 46?

Die Ausgestaltung der Verträge dauert noch an, da können wir uns nicht genau festlegen. Manche Arbeitsvorgänge sind für eher ungeduldige Menschen wie mich schwer zu akzeptieren. Aber wir müssen anerkennen, dass baufachliche Vorgänge sehr aufwändig sein können - insbesondere bei begrenzten öffentlichen Budgetvorgaben.

Bei der Shakespeare Company drängt das nächste Bauvorhaben.

Hier ist der Sanierungsbedarf anerkannt. Die Einrichtung hat sich bei der Planung und Umsetzung sehr engagiert, das hat uns sehr geholfen. Wir bereiten jetzt diesen Vorgang den Gremien zur Entscheidung vor.

Drei Viertel der Legislaturperiode sind herum. Ist auch drei Viertel der Arbeit geschafft?

Zunächst ging es darum, die tatsächlichen Bedarfe der einzelnen Einrichtungen festzustellen. Diesbezüglich haben wir bei der Übernahme des Ressorts viel Unklarheit vorgefunden. Wir haben dann sehr schnell die offene Vertragssituation der Bremer Philharmoniker und ihres Generalmusikdirektors geklärt. Wir haben die Neukonzeptionierung und das strukturelle Defizit des Überseemuseums angepackt.

Wie steht es denn mit der Neukonzeptionierung Ihres eigenen Hauses?

Wir haben die abgebrochene Reorganisation der Kulturverwaltung wieder aufgenommen. Dieser Prozess lief bei meinem Amtsantritt schon seit rund zehn Jahren und wir werden ihn Ende 2010 abschließen. Wir begleiten die Sanierung des Theaters, wir haben den langwierigen Rechtsstreit zwischen Stadtgemeinde und Marcks-Haus beendet sowie für Planungssicherheit für die Wagenfeld-Stiftung und das Paula-Modersohn-Becker-Haus gesorgt. Darüber hinaus haben wir die Breminale wieder eingeführt und den Projektetat für die freie Szene geschützt. Wir unterstützen die Einrichtungen bei ihrer Drittmittel-Akquise - sehr eindrucksvoll ist das bei der Kammerphilharmonie gelungen, deren Wegzug nach Frankfurt/Main drohte. Wir haben das Feld komplett umgepflügt, das war echte Kärrnerarbeit. Was jetzt ansteht, ist eine kulturelle Leitbild-Entwicklung.

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