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Hochwasseralarm an der OderZu wenig Platz für den Fluss

Trotz anderer Erklärungen der Politik wurden für Überschwemmungsgebiete des Flusses weiter Baugenehmigungen vergeben.

Kennt sich gut aus auf dem Deich: Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzek (SPD). Bild: apn

BERLIN taz | In Frankfurt (Oder) ist am Freitagnachmittag die höchste Hochwasseralarmstufe 4 ausgerufen worden. Bei knapp sechs Metern stand der Oder-Pegel, das Ufer ist in einigen Bereichen nicht viel höher. Noch halten Spundwände und mobile Dämme das Hochwasser von der Stadt fern. Nur in eine kleine Straße war das Wasser gelaufen, rund 500 Anwohner sind dort ohne Strom und Wasser. Doch der höchste Punkt der Flut wird erst am Samstagvormittag erwartet.

Über die Brücke zur polnischen Schwesterstadt Slubice fuhren an diesem Freitagnachmittag zwar noch Autos. Doch direkt dahinter ist gesperrt. Im tiefer als Frankfurt gelegenen Slubice waren bereits am Donnerstagabend zwei Stadtviertel evakuieren worden. Auch hier halten die Dämme noch, aber das Wasser soll noch gut 30 Zentimeter steigen. Wenn die Schutzwälle hier versagen, drohen ganze Straßenzüge in meterhoher Flut zu versinken.

Nahe Ratzdorf, wo die aus Polen kommende Oder Deutschland erreicht, hatte es am Freitag bereits einen ersten Deichschaden gegeben. Hundert Helfer waren beschäftigt, den 25 Meter langen Riss an einem alten Deich zu flicken.

In der angrenzenden Neuzeller Niederung sollte eigentlich schon längst eine der größten Überflutungsflächen Mitteleuropas entstehen. "Doch das ist ein langer Prozess, da braucht es viel Geduld und Ausdauer", sagt Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes. Kleingärtner und Landwirte seien schließlich betroffen.

"Es wird viel zu viel Rücksicht auf die regionale Lobby genommen", sagt Rüdiger Rosenthal, Sprecher des Umweltverbandes BUND. Seine Organisation kritisiert, dass die nach der Jahrhundertflut gegebenen Versprechen nicht eingehalten wurden.

FRANKFURT/ODER taz | Von den ursprünglich angedachten Überflutungsflächen seien gerade einmal ein Prozent tatsächlich geschaffen worden. Stattdessen habe das Land 200 Millionen Euro in den technischen Hochwasserschutz gesteckt, also in die Sanierung und den Ausbau von Dämmen.

Zudem wurden in den 1997 überschwemmten Flächen nach Angaben der Bauordnungsbehörde des Landkreises Oder-Spree sogar wieder Baugenehmigungen erteilt. "Das betrifft insbesondere die Neuzeller Niederung und auch Ratzdorf", bestätigte Rainer Helm, stellvertretender Leiter der Behörde, gegenüber der taz. Solange die geltenden Gesetze kein Bauverbot für Überschwemmungsgebiete vorsehen, müsse die Behörde die Genehmigungen erteilen. "Das sind höhere politische Entscheidungen", sagt Helm.

Bei Schwedt südlich von Stettin wurde am Nachmittag der Nationalpark Unteres Odertal auf einer Fläche von rund 1.700 Hektar geflutet, um Druck von den Deichen zu nehmen. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) zeigte sich bei seinem Deichbesuch optimistisch. "Die Wackelpuddingerscheinungen der Deiche, wie wir sie hier 1997 flächendeckend hatten, können wir eigentlich ausschließen."

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