Streit um Themenpark in den USA: Staatshilfe für Noahs Arche
Kentucky braucht Jobs. Also will sein Gouverneur den Nachbau der Arche Noah fördern. Experten sehen darin einen Bruch mit der US-Verfassung, denn die Idee stammt von einer christlichen Sekte.
BERLIN taz | Was macht der Gouverneur von Kentucky, um die Arbeitslosenquote in dem US-Bundesstaat zu senken? Er lässt eine Arche errichten und bietet den Investoren massive Steuererleichterungen an.
Ein "originalgetreuer", 152 Meter langer Nachbau der Arche Noah soll in Grant County entstehen – bevölkert von Tieren und Darstellern der Familienmitglieder Noahs. Das Riesenschiff ist als Herzstück des an christlichen Themen orientierten Freizeitparks "Begegnung mit der Arche" (Ark Encounter) geplant, wie die New York Times am Montag berichtete.
Kaum hatte Gouverneur Steven Beshear am vergangenen Mittwoch die Pläne für den Freizeitpark angekündigt, äußerten Experten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Unterstützung für ein Unternehmen, dass sich die Förderung der Religion auf die Fahnen geschrieben hat – sieht doch der erste Artikel der US-Verfassung eine klare Trennung zwischen Staat und Kirche vor.
Die christliche Priesterschaft Answers in Genesis (Antworten in der Entstehungsgeschichte), die das Konzept für den Freizeitpark entworfen hat, ist in Kentucky keine Unbekannte. Nur 45 Meilen vom voraussichtlichen Baugelände für "Begegnung mit der Arche" entfernt, befindet sich das so genannte Creation Museum in Petersburg, das von der Glaubensgemeinschaft betrieben wird. Dort zeigen Dioramen, wie Menschen und Dinosaurier einst in friedlicher Koexistenz auf einer Erde lebten, die in sechs Tagen von Gott geschaffen wurde.
Dahinter steckt die Absicht, Darwins Evolutionstheorie zu demontieren, zu Gunsten des Kreationismus, der die biblische Schöpfungsgeschichte als historische Tatsache behauptet. Answer in Genesis nimmt an, dass die Erde lediglich 6.000 Jahre alt sei – eine These, die selbst unter vielen bibeltreuen Christen umstritten ist.
Zwar ist das Creation Museum eine beliebte Zielscheibe des Spotts. Doch in den ersten drei Jahren seines Bestehens hat es schon 1,2 Millionen Besucher angezogen und damit demonstriert, dass eine beträchtliche Zahl von US-Amerikanern dazu bereit ist, für Unterhaltung im Sinne einer wortgetreuen Auslegung der Bibel Eintrittsgeld zu zahlen.
Besonders scharf wurden die Freizeitparkpläne im Lexington Herald-Leader, Kentuckys zweitgrößter Tageszeitung, kritisiert. Diese bemängelte, dass das Vorhaben lediglich für die Schaffung von Niedriglohn-Jobs sorgen und ein schlechtes Image Kentuckys zur Folge haben würde. Die Art und Weise wie Beshears Regierung hierbei agiere, so die Zeitung, lasse den Schluss zu, dass in Kentucky kreationistisches Gedankengut gehegt und gepflegt werde. Zumindest sei man bereit, davon ökonomisch zu profitieren.
"Einem Privatunternehmen ist es unbenommen, Noahs Arche zu rekonstruieren, aber der Gouverneur sollte dabei nicht mitmachen", äußerte sich auch Reverend Barry W. Lynn, der Geschäftsführer der US-amerikanischen Vereinigung für die Trennung von Staat und Kirche. "Der Staat sollte keine Steuererleichterungen für religiöse Projekte gewähren. Religion sollte durch freiwillige Spenden finanziert werden, aber nicht durch die Regierung", so Lynn gegenüber dem Lexington Herald-Leader.
Die Macher des Themenparks "Begegnung mit der Arche" planen, 150 Millionen Dollar in das Vorhaben zu investieren und 900 Arbeitsplätze zu schaffen. Für das erste Jahr erwarten sie 1,6 Millionen Besucher aus aller Welt. Ihnen schwebt vor, den Themenpark mit dem Creation Museum zu einer Art bibeltouristischen Korridor zu verbinden, in dem Gruppen aus Kirchengemeinden und christlichen Schulen per Bus zwei- bis dreitägige Touren unternehmen.
Um eine "wirklichkeitsgetreue" Darstellung der Arche zu erzielen, soll die Arche von Zimmerleuten der Amish People aus Fachwerk und Holznägeln errichtet werden, erklärte Mike Zovath, Senior-Vizechef von Answers in Genesis, der für den Bau des Themenparks verantwortlich zeichnet. In den Gehegen an Bord der Arche sollen zum Beispiel auch Giraffen, aber insgesamt nur Jungtiere gehalten werden. "Gott hat wahrscheinlich gesunde, nicht ganz ausgewachsene Tiere auf die Arche geschickt, so dass ihnen dort viel Raum zu Verfügung stand", ist sich Zovath, ein Oberstleutnant im Ruhestand, sicher.
"Begegnung mit der Arche" wird von den Machern als ein Modell ökologisch nachhaltiger Entwicklung zur Verringerung von Kohlenstoffemissionen verkauft. "Ich glaube nicht an den Klimawandel", betont Zovath gegenüber der New York Times, "aber ich denke, wir sollten gute Verwalter dessen sein, was Gott uns gegeben hat." Man wolle zeigen, wie Noah die Müllentsorgung, den Wasser- und Nahrungsbedarf an Bord regelte.
Zu den weiteren Attraktionen des Parks sollen ein 30 Meter hoher Turm zu Babel, ein arabisches Dorf aus dem ersten Jahrhundert nach Christus und ein Parcours durch das Alte Testament gehören – letzterer mit Spezialeffekten zur Simulation der sieben Heimsuchungen und der Teilung des Roten Meeres während der Flucht von Moses aus Ägypten. Für Kinder soll es einen Streichelzoo, ein Spielplatz mit Kletternetzen und Dressurshows mit Vögeln und anderen Tieren geben - auch letztere werden von den Dompteuren mit religiösem Gospel begleitet.
Das erst dieses Jahr verabschiedete Gesetz zur Tourismusentwicklung in Kentucky sieht vor, dass bis zu 25 Prozent der Baukosten von Touristenattraktionen vom investierenden Unternehmen innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums wieder hereingeholt werden können - durch Einbehalt der Umsatzsteuer, die mit der Einrichtung erzielt wird. Für "Begegnung mit der Arche" wird mit einer Summe von 37,5 Millionen Dollar gerechnet - rund ein Viertel der Investitionen.
Wird der Bauantrag für den Themenpark tatsächlich genehmigt, soll schon im nächsten Jahr der erste Spatenstich erfolgen. Mit der Fertigstellung wird im Jahr 2014 gerechnet.
Cary Summers, Chef der Konsultationsfirma The Nehemiah Group und Berater von Answers in Genesis, gab zu verstehen, dass das Themenpark-Projekt auch in Ohio und Indiana angeboten worden sei. Doch Kentucky hätte sich bei weitem am aufgeschlossensten gezeigt und auch die größten finanziellen Anreize angeboten.
Den Kritikern an dem Freizeitpark-Projekt entgegnete William Dexter, ein Rechtsberater des Tourismusministeriums, man orientiere sich in Kentucky an einem Urteil eines Bundesappellationsgerichts. Das Gericht hatte eine Klage von Atheisten gegen die Stadt Detroit abgewiesen, mit der Begründung, nicht nur Unternehmen, sondern auch Kirchen dürften staatliche Zuschüsse erhalten, wenn diese zu Zwecken der Stadterneuerung eingesetzt würden. "Unser Fall ist ähnlich gelagert, außer dass es bei ihm um eine touristische Entwicklung durch einen kommerziellen Konzern handelt", so Mr. Dexter.
"Begenung mit der Arche" befindet sich im Besitz eines profitorientierten Unternehmens, an dem Answers in Genesis nur Anteile hält. Allerdings will sich die Priesterschaft nach der Einweihung des Freizeitparks um den täglichen Betrieb des Parks kümmern.
Egon Chemerinsky, Verfassungsgelehrter und Gründungsdekan der Jurafakultät der University of California, Irvine, sagte der New York Times: "Wenn es darum geht, die Bibel lebendig zu machen - und es ist die biblische Erzählung, die sie präsentieren - dann zahlt die Regierung für die Förderung von Religion. Das hat der Oberste Gerichtshof aber verboten." Er fügte hinzu, die Tatsache, dass es sich bei dem Themenpark um ein ökonomisches Vorhaben handelt, würde dies nicht entschuldigen können.
Doch der Kreisvorsitzende von Grant County, Darrell Link, setzt unbeirrt große Hoffnungen in die "Begegnung mit der Arche". Das Projekt könne zukünftig Wirtschaftsmotor für eine Region sein, die seit Generationen von einer dahinsiechenden Tabakindustrie abhängig sei. "Ich sehe voraus, dass mit der Arche ein Regenbogen erscheinen wird", schwärmte Link in blumigen Worten gegenüber dem Lexingtion Herald-Leader, "und am Ende des Regenbogens befindet sich eine Truhe voll Gold". OP
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf