Kolumne Habseligkeiten: Lets watch the Brödel!

DVDs, Kleider, Rollkoffer, Autos, Plunder, Strandgut: Wie aus einer komplexen Leihökonomie ein Band der Freundschaft erwächst.

Vor ein paar Tagen wollte ich einer Freundin "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" vorführen. "Drei Nüsse for what?", fragte sie schockiert, als ich ihr erzählte, dass es ein "super fairy tale" gäbe, auf dem immerzu wunderschön durch weiße Landschaften geritten würde.

Die Freundin stammt aus einem fernen Land, in dem es weder tschechoslowakische Märchenfilme noch Kunstschnee gibt, dafür gehen die Menschen dort mit Nikolausmützen surfen. "Aschenbrödel!", sagte ich also, "like Cinderella!" "Whats a brödel?", fragte sie zweifelnd. Der sperrige Name schien alle ihre Vorurteile über die deutsche Sprache zu bestätigen. "Dont know", musste ich zugeben. "Whats cinder?"

Sie wusste es auch nicht, also ließen wir das Thema fallen und verabredeten uns zum gemütlichen TV-Nachmittag beim dritten Adventskerzchen. Beinahe wäre daraus nichts geworden, denn als ich kurz vor knapp die Märchen-DVD suchte, fand ich sie nicht dort, wo sie sein sollte.

Es ist ja immer so: Der ganze Schrank liegt voller Plunder, Teelichte, Sonnenbrillen und Ersatzknöpfe, aber das wirklich Wichtige wurde längst verliehen. So erhalte ich fast monatlich dicke Pakete, in die meine Freundin Sabine Kleidung packt, aus der ihre Tochter herausgewachsen ist. Angeblich sind diese Klamotten alle geliehen, doch wir sind mit dem Rückversand so schleppend dabei, dass man schon von Geschenken sprechen könnte. Pflichtbewusst aber sortiere ich unsere getragene Kinderkleidung danach, was uns wirklich gehört, und versuche das wiederum an eine andere gute Freundin weiterzuschieben, die nun auch Bedarf hat.

Frauen, die männlichen Leser wissen das ja gar nicht, weil sie nie auf den Gedanken kämen, eine ihrer zwei Jeans zu verleihen, manifestieren durch dieses ganze Hin- und Hergeleihe ein Band der Freundschaft. Vor allem zwischen 16 und 25 muss man immerzu mit den Klamotten der einen oder anderen Freundin herumlaufen, sonst macht man sich gleich verdächtig, solche gar nicht zu haben und hässlicher, geiziger oder stinkender Einzelgänger zu sein.

Mit fortschreitender Akkumulation der Besitztümer ändern sich die geliehenen Dinge. Heute lese ich eher die Bücher meiner Freundinnen, als ihre Pullover zu tragen. Ich fahre vielleicht mit dem Polo von Pia zu Ikea, sie aber wird sich keinen Rollkoffer mehr leihen, sollte sie übers Wochenende verreisen.

Doch Freundschaften zerbrechen und verebben, und wer hat nicht eine kleine Sammlung Strandgut angehäuft? Ich weiß nicht mehr, wie dieser Freund eines Mitbewohners hieß, der mir 1998 "Zoeken naar Eileen W." von Leon de Winter lieh. Er hat es nie zurückbekommen. Auch liegt noch ein Geschirrhandtuch von Doris in meiner Schublade. Wir sind selbst auf Facebook nicht miteinander bekannt.

Die "Aschenbrödel"-DVD war glücklicherweise nicht weit gewandert, sondern nur ein paar Treppen runter. Ich nahm also den Teller, den ich noch von meiner Nachbarin hatte, legte ein Stück Kuchen darauf und tauschte ihn gegen den Märchenfilm ein. "Lets watch the brödel!", begrüßte ich die Freundin aus dem fernen Land. "Great", sagte sie. "Sounds good!"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.