Zwei ägyptische Frauen: Scheidung von Mubarak

Die Ägypterinnen Nevine Sabry und Noha Atef kämpfen gegen das System. Sie wollen sich endlich von Mubarak und seinem Regime trennen.

Ägyptische Frauen auf den Straßen Kairos demonstrieren gegen Präsident Mubarak. Bild: dpa

Präsident Mubarak will sein Volk immer noch nicht gehen lassen. Trotz der Massenproteste. Das gibt Nevine Sabry, 28, das Gefühl, eingeengt zu sein. Ein ähnliches Gefühl hatte sie schon erlebt, als sie sich von ihrem Mann scheiden lassen wollte. Der wollte sie auch nicht gehen lassen und hat sich stattdessen hinter Gesetzen verschanzt. Er ließ sie sechs Monate warten. Genauso wie Husni Mubarak jetzt das ägyptische Volk auf den Straßen zusammenschlagen lässt. Ein Nervenspiel. Auf Zeit. Wer zuerst aufgibt, hat verloren.

Nevine Sabry will auch diesmal nicht aufgeben. Sie lebt und arbeitet in Kairo und ist ein sehr lebensfreudiger Mensch. Sie mag Shoppen - schöne Kleider, dicke Sonnenbrillen und bunte Stiefel. Sie mag abends in Clubs, ins Theater oder ins Kino gehen. Sie spricht vier Sprachen fließend und kann sich im Gegensatz zu den meisten ihrer Landsleute Reisen ins Ausland leisten. Auch deshalb, weil sie aufgrund ihrer Arbeit bei der Botschaft eines europäischen Landes in Kairo keine Schwierigkeiten hat, ein Einreisevisum nach Europa zu bekommen.

Nevine trägt die Haare lang und wollig. Manchmal mit Naturfarbe, Kastanienbraun, oft aber blond oder schwarz gefärbt. Aus finanziellen Gründen lebt sie seit ihrer Scheidung vor drei Jahren bei ihren Eltern. Nevine Sabry ist gläubige Muslimin und raucht mindestens eine Schachtel Zigaretten pro Tag. Zu Hause, bei der Arbeit und auf öffentlichen Plätzen. Sie fühlt sich in ihrem Umfeld frei. Manchen gesellschaftlichen Regeln, die das Erb- und Familienrecht prägen und Frauen stark benachteiligen, steht sie sehr kritisch gegenüber. Sie fühlt sich aber nicht direkt betroffen.

Nevine Sabry hatte bislang wenig Anreiz, bei Wahlen mitzumachen, deren Ausgang immer vorab bekannt ist. Und der Präsident Mubarak gehörte für sie, wie für eine ganze Generation ihrer Landsleute, zu Ägypten wie die Pyramiden und die Sphinx. Denn das Staatsoberhaupt beißt sich an der Macht fest und scheint sich nur durch den Tod vom ägyptischen Volk scheiden lassen zu wollen.

Doch wie Nevine Sabry will auch Noha Atef jetzt schon ihre Freiheit zurück. Die 26-Jährige studiert seit September letzten Jahres Social Media an der Universität von Birmingham und ist Journalistin und Bloggerin. Zusammen mit weiteren Weggefährten schildert sie seit 2005 auf ihrem Blog Repressionen und Folter durch die Staatsgewalt gegen Oppositionelle in Ägypten (www.tortureinegypt.net, derzeit nicht abrufbar) Durch Bilder, Videos und Kommentare. So bekommen auch Menschen wie Nevine Sabry solche Bilder mit. Durch das Internet, den einzigen freien öffentlichen Raum in Ägypten.

Noha Atef trägt seit etwa zehn Jahren Kopftuch - freiwillig. Damals haben ihre Eltern versucht sie zu überzeugen, diesen Schritt zumindest für ein paar Jahre zu verschieben. Vergebens. Für sie ist das Kopftuch ein Ausdruck dessen, dass sie frei über ihren Körper entscheiden kann. In ihrem 2010 in arabischer Sprache erschienenem Buch "Das hast Du verdient", einer Geschichtensammlung, erzählt sie vom Erwachsenwerden eines kleinen Mädchens in der ägyptischen Hauptstadt. Es geht um erste Erkundungen. Des Lebens, der eigenen Gefühle und des eigenen Körpers. Auch sie fühlt sich als Frau in ihrem Umfeld frei. Sie ärgert sehr, dass in Ägypten Frauen immer noch keine Scheidung einreichen dürfen.

Noha Atef und Nevine Sabry haben eigentlich wenig gemeinsam. Außer dass beide während des Ausnahmezustands geboren wurden, der seit der Ermordung des früheren Präsidenten Anwar as-Sadat 1981 herrscht. Die Staatssicherheit und die Bekämpfung von Terror und Drogenhandel sind seitdem die Vorwände des Regimes, um Grundrechte wie freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit oder Freizügigkeit einzuschränken. Auf der anderen Seite geben die Notstandsgesetze dem Präsidenten große Freiheiten. Er kann das Parlament auflösen, Ausgangssperren verhängen, Oppositionelle verhaften und foltern lassen. In einem pseudodemokratischen Regime wird er alle fünf Jahre gewählt - bisher hat er immer mehr als 90 Prozent der Stimmen bekommen.

Noha Atef begleitet die aktuellen Proteste nun aus London. Sie macht das, was sie am besten kann: die Proteste verfolgen und Bilder und Tweets, die sie aus Ägypten via Mail bekommt, ins Internet stellen. Stundenlang sitzt sie vor dem Rechner - weil die Regierung jederzeit das ganze Land offline stellen kann, wie es vom 27. Januar bis zum 2. Februar der Fall war. Doch vorher haben ägyptische Demonstranten via Internet noch Tipps aus Tunesien bekommen: Nevine hat daher immer eine Taucherbrille und Zwiebeln dabei, wenn sie demonstrieren geht. Das Einatmen der ätherischen Öle von Zwiebeln schützt vor den Reizungen des Tränengases.

Doch Nevine demonstriert erst, seit sie ein überraschendes Erlebnis hatte. Am Freitag, den 28. Januar, sah sie zufällig eine ältere Frau, die fluchend Steine auf Polizisten warf. Sie wolle nicht, dass Kinder von diesen Bösewichten geschlagen werden, erzählte sie ihr - die Frau hätte eigentlich gar nicht erst von den Demonstrationen erfahren, da im staatlichen Fernsehen zu dieser Stunde eine Kochsendung lief. Doch dann habe sie von ihrem Balkon aus beobachtet, wie Polizisten einen Demonstranten schlugen.

Seitdem verabredet sich Nevine mit ihren Freundinnen, um zu demonstrieren. Sie, Noha Atef und Millionen andere Frauen wollen sich von Mubarak und seinem Regime endlich trennen. Erst danach werden sie eine Chance auf Freiheit und Gleichberechtigung haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.